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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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meinen Laden leider nur nebenher betreiben, nur eben so, dass ich nicht ganz aus der Übung komme …«
    Berndorf erklärt, auch bei ihm könne nur von einem Nebenerwerbsbetrieb die Rede sein. Was Wunder, meint daraufhin Dingeldey: »Die Wahrheit ist selten kostendeckend.«
    Berndorf hat inzwischen Platz genommen, gegenüber von Dingeldey und neben Barbara. Und weil er nun das große Plakat vor sich hat, will er wissen, warum der Diebstahl von Büchern noch immer ein Thema sei: »Ich dachte, die jungen Leute kupfern heute alles aus dem Internet ab.«
    »Du und deine Vorurteile!«, antwortet Barbara Stein. »Mit den Bücherdieben sind zutreffend der Senat und die Hochschulverwaltung gemeint. Sie wollen die Institutsbibliothek, eine der besten in ganz Europa, wie ich in aller Bescheidenheit bemerken darf, in die Universitätsbibliothek integrieren.«
    »Warum?«
    »Natürlich der Synergie-Effekte wegen, wie immer in solchen Fällen«, erklärt Dingeldey. »Sie bestehen darin, dass man künftig nur noch die Hälfte der Bücher anschaffen will. Irgendwo müssen die Milliarden ja herkommen, die die Berliner Landesbank in den Sand gesetzt hat. Ich schätze, so in fünf- bis siebentausend Jahren wird man einen größeren Teil davon auf diese Weise wieder hereingebracht haben.«
    Berndorf nickt anerkennend, Barbara wendet sich dem Salat mit den Putenstreifen zu, will dann aber doch – bereits kauend – wissen, wie sein Vormittag war.
    »Ich hab mir eine Kundgebung angesehen«, antwortet Berndorf und schneidet sich ein Stück der Rostbratwurst ab. »Irgendwie waren es auch Leute, die nicht wollen, was der Senat will.«
    »Dann sind sie schon allein dadurch meiner Sympathie verdächtig«, bemerkt Dingeldey. »Und was ist es, was sie nicht wollen?«
    »Es war eine Kundgebung für eine Ruine. Dass sie das auch bleiben soll.« Berndorf kaut und überlegt. Wie soll man es benennen? Schmackhaft, ja doch, das trifft es.
    »In dieser Stadt hat es viele Ruinen gegeben, die das besser geblieben wären«, meint Barbara. »Aber verstehe ich das recht – du hast dir die Kundgebung angesehen, also nicht selbst demonstriert? War es unterhaltsam?«
    »Ich hab dort einen Zufallsfund gemacht. Einen – entschuldige! – Beifang sozusagen.« Er legt das Besteck zur Seite, holt den Zeitungsausschnitt mit dem Foto des halbverhungerten Zlatan Sirko aus der Brusttasche seines Sakkos und zeigt ihn Dingeldey. »Dieser Ausriss stammt aus der Frankfurter Rundschau, da hätten …«
    »… wir selbst darauf kommen können«, vollendet Barbara Stein den Satz und wendet sich an Dingeldey. »Ein Mann ist totgefahren worden. Berndorf glaubt, dass der Fahrer sich geirrt hat. Er wollte den da erwischen.« Sie deutet auf das Foto.
    Dingeldey hebt kurz die Augenbrauen und blickt Berndorf an, forschend oder abwägend, vielleicht auch ein wenig skeptisch. »In fünfzehn Jahren wächst viel Gras …«
    »Berndorf ist gern das Kamel, das es wegfrisst«, bemerkt Barbara.
    »Und was …?«, meint Dingeldey, ohne die Frage zu Ende zu bringen.
    »… ich daraus schließe?«, fragt Berndorf zurück. »Eher nichts. Die gute alte Rundschau war ja einmal eine überregionale Zeitung, nur bekommt man sie in den letzten Jahren außerhalb der Rhein-Main-Region immer seltener.«
    »Also hältst du es für möglich«, fasst Barbara Stein zusammen, »dass Zlatan in oder bei Frankfurt gelebt hat, als er sich dieses Foto ausgeschnitten hat …«
    »Oder er hat den Ausschnitt von jemand bekommen, der dort lebt. So ungefähr. Aber ich weiß nicht, was ich damit anfangen soll. Außerdem würde ich gerne wissen, was Du mit dem Abgeordneten Fausser, Christian, Wahlkreis Stuttgart zwei, getrieben hast?«
    »Wow!«, entfährt es Dingeldey. »Was muss ich da hören, liebster Stolperstein! Also, was hast du …?«
    »Ich?« Barbara Stein blickt saphirgrün. »Getrieben? Mit dem?«
    »Er war mit dir am Starnberger See«, beharrt Berndorf. »Stand in der Zeitung. Es muss ziemlich heftig gewesen sein. Gestern hat es ihn umgehauen. Alte Männer, weißt du, die halten nicht mehr so viel aus.«
    »Fausser? Natürlich war er auf der Tagung, ich hab dir doch davon erzählt. Aber was ist mit ihm passiert?«
    Berndorf, der gerade vom Kartoffelbrei nehmen will, macht eine ungefähre Bewegung mit der Gabel. »So genau weiß ich das nicht. Ich hab vorhin in seinem Büro im Bundestagshaus angerufen und irgendeine blöde Auskunft bekommen, dass ich sofort wusste, da stimmt was nicht. Nein, Emm-de-Beh

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