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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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General oder was er war, der uns schon den Tag geführt oder begleitet oder im Auge behalten hatte. Das war nun ausnahmsweise kein jämmerlicher Soldat, sondern ein richtig schneidiger Mensch, hochgewachsen, tadellose Uniform, die so knapp saß, dass ich mir überlegte, ob der Kerl drunter ein Mieder trägt, und geschwitzt hat er kein bisschen, obwohl uns der Schweiß nur so übers Gesicht lief, am Schlimmsten dran war ein dicker weißblonder Mensch von der Botschaft, der uns trotzdem keinen Augenblick von der Pelle wich. Ich glaube übrigens, das war gar kein Diplomat, sondern ein Schlapphut vom Bundesnachrichtendienst, Fausser hat so etwas angedeutet.«
    »Fausser?«
    »Der war von den Sozzen, und ich glaube, er war es auch, der den Streit mit den Kroaten angezettelt hat. Wo war ich stehen geblieben? Ja, der Landeplatz war auf einer baumlosen Ebene, nirgends ein bisschen Schatten, an den Hängen um uns herum gab es vielleicht ein bisschen staubgraues Gebüsch und sonst nur Stein und stacheliges Dornenzeug. Dazwischen standen Baracken, man hat aus der Ferne schon ahnen können, wie heiß es da drinnen sein muss, und um die Baracken herum lungerten Leute, solche …« – wieder deutet er auf den Zeitungsausschnitt – »… solche Leute eben, zerlumpt und jämmerlich. Und dann hat der Fausser mit diesen Leuten reden wollen, das wollten die Kroaten aber nicht, das seien alles Terroristen, hat der General über den Dolmetscher ausrichten lassen, aber der Eschle hat ganz freundlich geantwortet, wir hätten trotzdem keine Angst, und sie sollten jetzt bitte die Leute zu uns lassen. Da blieb ihnen nichts anderes übrig, und sie haben die zerlumpten Männer an den Zaun gewinkt, nein: sie haben gepfiffen, wie man einem Hund pfeift, und die Männer sind zum Zaun getrottet, nicht einmal widerwillig, sondern gehorsam, man hat gesehen, die haben Angst, und wenn Sie den Zeitungsausschnitt genau betrachten, werden Sie sehen, was es ist: Angst, und was sie mit den Menschen macht!« Fast verlegen greift er zum Espressotässchen und trinkt einen Schluck und behält es in der Hand.
    »Fausser und Eschle also«, sagt Berndorf, »wer war der dritte? Sie sagten doch, es seien drei Abgeordnete gewesen.«
    »Der dritte war einer von den Blaugelben, den Namen weiß ich nicht mehr, der hatte sich aber schon am Morgen aus dem Staub gemacht, angeblich hatte er einen Termin mit der Handelskammer in Zagreb.«
    »Hat es ein Gespräch mit den Gefangenen gegeben?«
    »Die beiden Abgeordneten haben es versucht, ja doch, haben nach der Verpflegung, der Behandlung und der medizinischen Betreuung gefragt, auf Deutsch und auf Englisch haben sie das getan, und man hat sehen können, dass die Gefangenen genau verstanden haben. Nur kamen keine richtigen Antworten, es habe alles seine Ordnung, es ist, wie es ist – und warum das so war, das wusste man sofort, wenn man einen Blick in die Gesichter der Wachleute geworfen hat. Schließlich hat der Fausser auf diesen Mann da gezeigt« – Örtleins Finger tippt auf das Foto, genauer: auf die Stelle, die den jungen Mann mit dem nackten Oberkörper zeigt – »auf diesen einen Halbverhungerten, dem die Rippen aus dem Brustkorb standen, und hat gefragt: Was ist mit diesem Mann? Und dann herrscht erst einmal Schweigen in der Wüste, plötzlich aber braucht der General keinen Dolmetscher mehr, sondern gibt ganz höflich auf Deutsch zurück, Menschen sind unterschiedlich. Und, wieder ganz höflich: Manche sind dünn. Dann zeigt er auf den Mann aus der Botschaft, wartet eine Sekunde und sagt: Manche sind dick. Und pflichtschuldig lachen alle, auch der Dicke aus der Botschaft oder vom BND, aber weil der Dicke nicht die Witzfigur bleiben will, wirft er ein, dass manche nicht nur dünn oder dick sind, sondern manche seien auch krank: Der da zum Beispiel …« – wieder deutet Örtlein auf das Foto – »der könnte Tuberkulose haben. Und prompt sagt der General, das sei richtig, Tuberkulose, das ist das Wort. Daraufhin schaut der Fausser zu mir her und schaut zu Eschle und sagt, wenn das so ist, dann gehört dieser Mann nicht in ein Lager. Und holt sich sein Notizbuch heraus und notiert sich den Namen des jungen Mannes und guckt wieder zu mir, ob ich auch alles mitbekommen habe, und wendet sich an den General und sagt, dieser Mann …« – Örtlein hebt die Stimme, um ihr einen schneidenden Ton zu geben – »… dieser Mann wird in das nächste Krankenhaus gebracht, das unter Aufsicht des Roten Kreuzes steht, heute

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