Schlangenkopf
Bedien dich! Du wirst keine Reichtümer finden …
Und das Notebook?
Der Beweis, dessen letztes Glied nicht gefunden wurde, wird kein Urteil tragen. Und die Rede, die nicht gehalten wurde, die wird keiner mehr hören.
Nimm nur, Junge.
V orzüglich!«
Zu den von ihrer Assistentin Laura Ebenweiß durchgesetzten Neuerungen im Institut der Professorin Barbara Stein gehört eine Espressomaschine. Der Gast, der den damit hergestellten Espresso nicht lobt, beginge einen schweren Fehler.
»Schmeichler!«, gibt die Professorin zurück und räumt den zweiten Besuchersessel von den Büchern frei, die auf ihm gestapelt sind. Dann nimmt sie selbst Platz, Berndorf gegenüber. »Du hast mir eine Frage immer noch nicht beantwortet. Was willst du von Fausser?«
Berndorf sucht einen Platz, um das Espressotässchen abzustellen. Vergeblich. »Offenbar ist es Fausser gewesen, der Zlatan Sirko aus diesem Lager herausgeholt hat …«
Barbara Stein zieht die Augenbrauen hoch. »Da schau her. Ich kenne Fausser nicht näher, hab auch auf der Tagung eigentlich sonst keinen Kontakt zu ihm gehabt. Er ist Mitglied im Haushaltsausschuss, das bedeutet einiges, die Haushälter stellen innerhalb der politischen Klasse eine Clique für sich dar, es sind Leute, die es meist gar nicht nötig haben, auf die Pauke zu hauen. Deswegen hab ich mich auch gewundert, dass er so grobschlächtig über EuroStrat hergezogen ist.«
»Was weißt du sonst von ihm?«
Barbara Stein hebt anmutig die Schultern und lässt sie wieder fallen. »Wenig. Gar nichts. Galt mal als politisch interessanter Newcomer, vermutlich weil er zuvor weder Lehrer war noch aus einem Sozialberuf kam, in seiner Partei ist das ja ungewöhnlich. Das hat sich dann aber bald abgeschliffen, und zuletzt hat er sich wohl auch mit seinen Stuttgarter Parteifreunden überworfen, wegen dieses neuen unterirdischen Hauptbahnhofs. Sie verzeihen ihm nicht, dass er schon über dieses Milliardenprojekt hergezogen ist, als sie selbst am liebsten Bahnsteigkarten im Voraus gekauft hätten, um nur ja bei der Einweihung dabei sein zu dürfen. Eine politische Todsünde, das.«
»Gegen einen unterirdischen Hauptbahnhof zu sein?«
»Nein. Zum falschen Zeitpunkt Recht gehabt zu haben. Aber sag mal – wie willst du jetzt an ihn herankommen? Ich vermute mal, du wolltest ihn nach diesem Sirko fragen.«
»Vermutlich hätte das sowieso nichts gebracht«, gibt Berndorf zurück. »Warum sollte Fausser mir sagen können, wohin Sirko sich verkrümelt hat? Und ohne den komm ich überhaupt nicht weiter.«
»Welche Anknüpfungspunkte hast du denn sonst?«, fragt Barbara Stein zurück. »Lass mich doch versuchen, ob ich an Fausser herankomme. Sag mir einfach, was du von ihm wissen willst.«
»Wie willst du das schaffen?«
»Na ja«, antwortet sie und nimmt einen Schluck vom Espresso. »Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest – dieses Land organisiert sich nicht durch Parlamente, nicht durch Gremien, nicht durch scheinbar exakt geregelte Entscheidungsprozesse. In Wahrheit organisiert sich dieses Land durch Netzwerke, und zwar in all seinen Bereichen, den politischen, den wirtschaftlichen, auch den akademischen. Wenn du irgendetwas erreichen oder erfahren willst, musst du jemanden kennen, der jemand kennt – und den du davon überzeugen kannst, dass es für ihn nützlich ist, dich kennen gelernt zu haben. So ungefähr.«
Berndorf nickt. »So ungefähr«, wiederholt er. »Und was bedeutet das jetzt?«
»Ich werde jemand anrufen. Jemand aus der Leitung der Universitätskliniken.« Sie blickt auf und bemerkt, dass Berndorf leicht die Augenbrauen hochgezogen hat. »Ganz unverfänglich. Jemand, den ich aus unserem Projekt Frauenförderung kenne.«
Ü ber den Flur, dann die Treppe hinunter. Nicht zu schnell. Das Notebook offen unter dem Arm. Wenn jemand entgegenkommt, ihm ins Gesicht schauen. Ganz ruhig. Eine zweite Treppe. Am Fenster im Zwischengeschoß steht einer und ist nicht zu sehen, weil er die Zeitung vor sich aufgeschlagen hat, fette große Buchstaben: Das Phantom der Charité, dazu eine Schattengestalt, die Hand verbunden, was soll das?
Plötzlich begreift André, und das Begreifen ist wie ein Schlag in die Magengrube, ein Wunder, dass es ihn nicht von den Beinen wischt. Er will weiter, an dem Kerl vorbei, rasch, bevor der das Blatt sinken lässt und fragt, was hast du denn da unterm Arm? Er läuft ein paar Stufen weiter, mit einem Male zittern die Knie, aber er kommt so weit, dass er das Foyer und
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