Schlangenküsse
Krach, sondern auch das Splittern von Holz. Nicht nur Suko hatte durch seinen gezielten Tritt mitgeholfen, die Tür zu öffnen, auch mein Gewicht hatte dafür gesorgt, dass sie aus den Angeln brach.
Sie kippte in den Raum hinein, und ich kippte gleich mit. Es war zu schnell gegangen, ich hatte mich nicht mehr halten können, landete halb auf der Tür, aber ich schaffte es noch, mich abzurollen, so dass ich mir nichts prellte.
Carol Morgan war noch da. Es konnte sein, dass sie bewusst das Aufbrechen der Tür abgewartet hatte, um uns zu zeigen, wozu sie fähig war.
Wir sahen unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Carol Morgan saß auf der Fensterbank, und zwar schon an der Außenseite. Durch die Lücke wehte den Wind. Er spielte mit ihren Haaren und fuhr mehr gegen den Hinterkopf, weil sie den Kopf gedreht hatte.
Ihr Gesicht hatte sich verzerrt. Als ich auf die Beine kam, glaubte ich, in fremde und schillernde Augen zu sehen, die ohne Pupillen waren und einen grünlichen Glanz abstrahlten.
Sie lachte auf.
Und dann sprang sie!
***
Wieder war es nicht wie im Kino, denn wieder kamen wir zu spät. Wir schnellten zwar noch auf das Fenster zu – diesmal war Suko schneller als ich –, aber seine Hände fanden kein Ziel mehr. Carol Morgan war längst verschwunden.
Das Fenster war nicht groß genug, um uns beiden Platz zu bieten. Suko schaute als Erster nach unten. Wer aus der dritten Etage auf das Pflaster prallt, der hat viel Glück, wenn er überlebt. Zumindest verletzt er sich. Wir hofften für Carol, dass sie nicht als Leiche vor dem Haus lag. Als Suko zurückzuckte, war der Weg für mich frei. Carol lebte noch. Sie lag auch nicht auf einer Straße oder in einem Hinterhof. Sie war auf das Dach eines Anbaus gesprungen, und der lag nur eine Etage unter uns.
Wir hätten uns gewünscht, dass sie liegen geblieben wäre. Auch das war nicht der Fall. So schnell wie möglich, raffte sich die Frau auf und lief davon.
Mit einem langen Satz sprang sie dann über den Rand des Anbaus hinweg und landete auf dem Boden. Damit war sie unseren Blicken entschwunden.
Die Gegend hatten wir uns zuvor ansehen können. Sie war belebt, bestand aus zahlreichen kleinen Straßen und Gassen. Für jemand, der sich auskannte, war es kinderleicht, unterzutauchen.
Ich trat vom Fenster zurück und drehte mich um. Suko stand vor mir wie ein begossener Pudel.
»Gratuliere«, sagte er nur.
»Gleichfalls.«
»Wir könnten direkt als Filmduo durchgehen. Titel: Zwei Trottel auf dem Weg zur Hölle. Verdammt, sie ist uns entwischt. Dabei hätten wir nur zugreifen müssen.«
»Hast du nicht den großen Angstmacher gespielt?«
»Ja, habe ich. Weil ich dachte, dass sie das einschüchtern würde. Naja, es fehlt eben noch einiges, um perfekt zu sein. Was wir wohl auch nie werden.«
Ich schlug ihm auf die Schulter. »Reg dich nicht auf, wir holen sie zurück. Man trifft sich immer zweimal im Leben.«
Suko war sauer. Er blieb beim Thema. »Dabei hätte ich nur meinen Stab einsetzen müssen, dann wäre alles okay gewesen. Aber das habe ich vergessen.«
»Du kannst es nachholen«, sagte ich und fuhr damit fort, mich im Schlafzimmer umzuschauen. Es gab ja nur diese Schlafcouch. Die anderen zwei Drittel bestanden aus Küche und Möbeln, die zu einem Wohnzimmer gehörten. Natürlich stand hier auch ein Fernseher mit großem Bildschirm.
»Lass uns noch mal in das Büro gehen«, schlug ich vor. »Vielleicht finden wir Hinweise.«
Den Weg hätten wir uns sparen können. Es gab keine. Disketten fielen uns auch nicht in die Hände und nicht mal Unterlagen über die Firma, für die Carol Morgan gearbeitet hatte.
Diese Spur war also abgeschnitten. Jetzt blieb uns nur noch das Reptilienhaus im geschlossenen Zoo. Bevor wir dort hingingen, wollten wir noch ein paar Worte mit unseren Chef, Sir James, wechseln, der sich wieder im Büro eingefunden hatte. Das erklärte uns Glenda, als ich sie anrief.
»Dann sehen wir uns gleich.«
»Deine Stimme klingt nicht eben wie die eines Siegers, John.«
»Ha, so fühle ich mich auch nicht.«
»Pech gehabt?«
»Bis gleich...«
***
Den Kaffee unserer Assistentin konnte ich jetzt gut gebrauchen. Wie zwei Deppen kamen wir uns vor, als wir Glenda von unserem Misserfolg berichteten.
»Himmel, was regt ihr euch auf. Das kann jedem passieren. Ist doch kein Weltuntergang.«
Sie hatte nicht mal einen spöttischen Ton in ihre Bemerkung gelegt. Dennoch war das für uns kein Trost. »So etwas kann passieren, aber das
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