Schlangenküsse
verstand ich. Der Mensch, der hier auf seiner Station lag, war kein angeschossener Schwerverbrecher, sondern jemand, der...
»John, komm mal her...«
Suko’s Stimme hatte einen Unterton, der mir gar nicht gefiel.
Ich drehte mich mit einer schnellen Bewegung um, blieb aber noch stehen und beobachtete ihn.
Er wartete neben dem Bett und hatte den Blick gesenkt. Allerdings konzentrierte er sich nur auf den unteren Teil des Bettes. Selbst aus dieser Distanz sah ich, dass sich unter der Decke etwas bewegte. Das konnten nur die Schlangenbeine sein.
Ich blieb neben meinem Freund stehen, der den Zeigefinger ausgestreckt hielt.
Die Bewegungen unter der Decke malten sich darauf ab. Es sah so aus, als wäre ein Gegenstand dabei, sich zusammenzuringeln und dann wieder zu strecken. Die Decke erhielt auch einen leichten Druck von unten. Sie wellte sich dabei in die Höhe, nur nie so hoch, als dass wir unter sie hätten schauen können.
Ich musste mir einfach das Gesicht des Mannes anschauen. Mason Carter konnte nicht ruhig auf der Stelle liegen. Er focht einen Kampf aus. Wer der Gegner war, das sah ich nicht, aber er litt unter großem Stress. Den Mund hielt er offen. Beide hörten wir seine scharfen Atemstöße. Auf seinem Gesicht lag eine Schweißschicht.
Er warf sich hin und her. Es war noch nicht so schlimm, dass wir ihn halten mussten, aber wie er sich verhielt, das deutete schon auf gewisse Schmerzen hin. Seine Augen standen weit offen. Wir brauchten nur einen kurzen Blick hineinzuwerfen, um die Panik zu erkennen, die darin leuchtete.
»Mason!«, sprach ich ihn an. »Mason, was ist passiert?«
Ich erhielt keine Antwort. Neben mir schüttelte Suko den Kopf. »Der wird nichts sagen, John. Der ist fertig. Was immer sich in seinem Körper festgebissen hat, es hat ihn übernommen.«
Wieder bewegte sich Mason’s Gesicht. Er riss den Mund weit auf, klappte ihn wieder zu, und in dieser kurzen Zeitspanne war es mir gelungen, einen Blick in die Mundhöhle zu werfen.
Hatte sich dort eine normale Zunge bewegt oder die gespaltene einer Schlange?
Ich war mir nicht sicher, schloss allerdings keine der beiden Möglichkeiten aus.
Er kämpfte noch immer. Jetzt wuchtete er sich von einer Seite auf die andere. Auch Professor Finley wollte nicht länger zuschauen. Er machte sich auf den Weg – und zuckte zurück, als etwas passierte, das uns überraschte.
Plötzlich flog die Decke in die Höhe. Sie hatte durch die veränderten Beine den nötigen Druck bekommen. Die Decke flatterte dem Professor entgegen, der sie mit den Händen zur Seite schlug und einen Moment später das sah, was auch Suko und ich präsentiert bekamen. Der Körper veränderte sich weiter...
***
Das Bild brannte sich in unserem Innern fest. In seiner Panik hatte Mason Carter den Saum des Krankenhaus-Nachthemdes gepackt und ihn in die Höhe gezerrt. So konnten wir mehr sehen als nur seine Beine, und uns blieb der Atem weg.
Er war dabei, sich in eine Schlage zu verwandeln. Sein Geschlechtsteil war längst verschwunden, die neue Form hatte schließlich die Hüften erreicht, aber damit war diese Scheußlichkeit nicht beendet, denn die normale menschliche Haut verschwand immer mehr und schuf der einer Schlange Platz.
Mason Carter litt wie wahnsinnig. Er konnte nicht mehr liegen bleiben. Seinen Oberkörper hatte er in die Höhe gestemmt. Aus weiten, nassen Augen starrte er auf den unteren Teil des Oberkörpers, der von Sekunde zu Sekunde immer mehr von seinem menschlichen Aussehen verlor und eben diese schuppige Haut annahm.
Sie kroch einfach höher. Sie drängte die andere Haut zur Seite, aber auch die Hände und damit die Arme blieben nicht verschont. Dicht vor unseren Gesichtern klatschte Mason Carter sie zusammen, ohne sie wieder zur Seite zu biegen. Sie klebten regelrecht mit den Handflächen aneinander, und genau das musste auch mit seinen Beinen passiert sein. Etwas anderes konnte ich mir nicht vorstellen.
Es hatte keinen Sinn, dass er sich wehrte. Es gab für ihn keine Chance. Das Gift in seinem Körper arbeitete weiter, und genau an diesem Wort hängte ich meine Gedanken auf.
Gift!
Ein fremdes Gift! Möglicherweise auch ein magisches Gift. Aber dagegen gab es vielleicht ein Mittel.
Es war das Kreuz!
Der Professor wunderte sich, wie hektisch ich mich bewegte, um die Kette mit dem daran hängenden Talisman über den Kopf zu streifen. Plötzlich war jede Sekunde wichtig, denn die Verwandlung stoppte nicht. Die Arme lagen dicht zusammen. An den Händen
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