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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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gebrauchten wir beide das Wort »stockbetrunken«. Wir wollten uns ihr nicht nähern, da sie eine starke Abneigung gegen Weiße zu haben schien. Wir überquerten nach ihr die Straße und gingen in mein Haus.
    Jock blieb etwa eineinhalb Stunden, und wir saßen die meiste Zeit in der Küche. Die Küche liegt nach hinten, und die Tür zum Flur war geschlossen. Zu keiner Zeit hörten wir Geräusche von der Straße, die uns einen Unfall hätten vermuten lassen. Jock ging gegen 21.15 Uhr, und ich begleitete ihn zur Haustür. Ich hatte Ann Butts völlig vergessen, und es kam mir nicht in den Sinn, nochmals nach ihr Ausschau zu halten. Ich sah Jock noch nach, wie er hinter unserem Tor nach rechts in Richtung seines Hauses abbog, und ging dann wieder hinein.
    Ich war schockiert, als eine Viertelstunde später meine Frau hereinstürzte und mir mitteilte, die »verrückte Annie« liege im Rinnstein, und es sehe aus, als würde sie gleich sterben. Mit einer Taschenlampe lief ich hinaus und fand sie zwischen zwei geparkten Autos vor dem Haus Nummer 1. Für mich war offensichtlich, dass sie bereits tot war. Ihre Augen waren geöffnet, und ich fand weder am Hals noch am Handgelenk einen Puls. Ich versuchte es mit Mund-zu-Mund-Beatmung, gab aber auf, als sie nicht reagierte. Kurze Zeit später traf der Notarzt ein.
    Ich bedaure es jetzt, dass ich um 19.45 Uhr nicht versucht habe, Ann Butts zu ihrem Haus zurückzubringen, obwohl ich sicher bin, dass sie es nicht zugelassen hätte.
    Gezeichnet: Sam Ranelagh
    * * *
Brief von Libby Williams – ehemals wohnhaft Graham Road 21, Richmond – aus dem Jahr 1980
    39a Templeton Road
Southampton
Hampshire, UK
    20. Mai 1980
    Meine liebe M,
ich bin aus allen Wolken gefallen, als dein Brief kam. Das sind ja tolle Neuigkeiten, das mit dem Kind, meine ich. Und sieben Monate alt? Gezeugt in England und geboren in Hongkong. Kann ja nur ein Glückskind sein! Natürlich müssen wir Freundinnen bleiben. Ich hab mir doch nicht stundenlang deinen Herzschmerz nach Annies Tod angehört, um dich zu vergessen, sobald du außer Landes bist. Ich bin so froh, dass du dich gemeldet hast, denn so, wie die Dinge im Moment liegen – Jock und ich sprechen nicht mehr miteinander –, wusste ich nicht, wie ich dich erreichen soll. Natürlich helfe ich dir gern, soweit ich kann, obwohl es mich etwas beunruhigt, dass du in deinem Brief andeutest, Jock und Sam hätten etwas mit Annies Tod zu tun gehabt. Ich hasse diesen falschen Schleimer, den ich geheiratet habe, zwar von ganzem Herzen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er fähig wäre, jemanden umzubringen, schon gar nicht jemanden, den er kaum kannte. Und was Sam angeht – also wirklich!
    Okay, Sam hat also eines Abends im Suff zugegeben, dass sie der Polizei nicht die Wahrheit darüber gesagt haben, wo sie in der besagten Nacht waren, und will Annies Namen nicht mehr hören. Glaub mir, Süße, du solltest da nicht zu viel hinein interpretieren, auch wenn ich verstehen kann, dass du wütend bist. Sam hätte nicht für Jock lügen sollen, ganz gleich, wie »gut« der Grund dafür ist. Aber so sind Männer nun mal. Sie halten zusammen wie Pech und Schwefel und schieben ihre Frauen ab, wann immer es ihnen passt!
    Zu deinen Fragen:
Habe ich der Polizei erzählt, dass Jock mit Sam zusammen war? Ja, du weißt ja, dass sie am Tag nach dem Unglück sämtliche Häuser abgeklappert haben, um zu fragen, ob jemand was von dem Unfall gesehen oder gehört hat. Ich sagte, ich sei allein zu Hause gewesen und hätte ferngesehen. Prompt fragten sie mich, was denn mein Mann getrieben hätte, und ich hab gesagt: »Er hat mit Sam Ranelagh in Nummer 5 einen getrunken.«
Hat Jock freiwillig von der Sache erzählt, als er nach Hause kam, oder musste ich nachfragen? Ich hab ihn gleich am Abend, am 14., darauf angesprochen, als er schön blau wie immer zur Tür reingetorkelt kam. »Wo zum Teufel bist du gewesen?«, hab ich gesagt, und er sagte wie aus der Pistole geschossen: »Ich hab bei Sam ein Bier getrunken.« Ich hätte wissen müssen, dass er lügt! Er hat Sam immer als Ausrede benutzt.
Um welche Zeit kam Jock in dieser Nacht nach Hause? Gegen 21.15 Uhr. Kann mich nicht mehr genau erinnern. Ich bin sicher, die Neun-Uhr-Nachrichten liefen noch.
Habe ich irgendeine Ahnung, wann Jock mit Sam gesprochen hat, um das Alibi auszutüfteln? Wie ich Jock kenne, hat er Sam am nächsten Morgen in der Arbeit angerufen. Er wird ihm gesagt haben, dass er in der Klemme steckt und sich was

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