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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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ich einmal gekannt hatte, dachte ich.
    »Sie sind sich ja untereinander in vielem gar nicht ähnlich«, sagte sie. »Danny ist ein bisschen ein Draufgänger, aber bei Al hat man manchmal das Gefühl, er wäre schon als Vierzigjähriger auf die Welt gekommen.« Sie lachte, und ihr Gesicht hellte sich auf. »Neulich sagte Jace, ‘Verpiss dich’, weil er das im Kindergarten gehört hatte. Al hat sich danach mindestens zwei Stunden lang Gedanken gemacht, ob das seine Schuld wäre. Ich lachte ihn deshalb aus und meinte, das wäre doch albern. Worauf er sagte, ‘Klar, du hast gut lachen, aber das war so ziemlich das Einzige, was ich an Aufmerksamkeit von meinem Vater bekommen habe, wenn er sagte, verpiss dich, du Bastard’. Und jetzt würde er es wohl lieber in Kauf nehmen, ein Bastard zu sein, als Derek zum Vater zu haben.«
    »Mir ginge das wahrscheinlich an seiner Stelle genauso«, sagte ich. »Es ist ja ein bisschen so, als müsste man sich eingestehen, dass man Iwan den Schrecklichen zum Vater hat.«
    Sie musterte mich neugierig. »Sie sagten vorhin, er hätte Ihnen mal gedroht. Warum denn? Weswegen war er so wütend?«
    Ich war versucht, ihr ehrlich zu antworten, und nicht nur weil ich sie mochte und mich schämte, sie zu benützen. Sie gehörte zu diesen seltenen Menschen, deren Freimütigkeit und Offenheit gleiches Vertrauen verlangte und verdiente. Ich bedauerte sie zu täuschen, weil ich wusste, dass ich sie unter anderen Umständen nur zu gern als Verbündete gehabt hätte.
    »Wir hatten auf der Straße eine Auseinandersetzung darüber, wie er Alan behandelte, und er drehte mir den Arm auf den Rücken und sagte, wenn ich mich noch mal einmischen würde, würde mir bald das Lachen vergehen.« Es war nicht komplett gelogen. Der Ort stimmte nicht, und es war nicht bei der Drohung geblieben – die nichts mit meinem lachenden Gesicht zu tun hatte –, aber Derek hatte mir in der Tat geraten, mich nie wieder einzumischen. »Ich bin daraufhin zur Polizei gegangen, wie jeder vernünftige Mensch das getan hätte«, fuhr ich fort, »aber da hat man mir nicht geglaubt und hatte nichts Eiligeres zu tun, als Derek zu berichten, was ich über ihn gesagt hatte.«
    Hätte ich es so erzählt, wie es wirklich gewesen war, so hätte ich hinzugefügt, dass ich in zwei Tagen zweimal von demselben Polizeibeamten verraten worden war und in Folge davon Dereks Wut in doppelter Dosis zu spüren bekam. Aber ich wollte Beth mit Erheiterung und Gelassenheit für mich einnehmen, nicht mit Schauergeschichten über die Grausamkeit ihres Schwiegervaters abschrecken.
    Sie machte große Augen. »Was hat er getan?«
    »Nicht viel«, log ich. »Er war ein typischer Maulheld – große Klappe und nichts dahinter.« Ich schwieg einen Moment. »Danny hat mir erzählt, dass er verschwunden ist, nachdem Alan mit einem Baseballschläger auf ihn losgegangen ist?« Ich gab meiner Stimme einen fragenden Unterton, und Beth nickte. »Und wo ist er jetzt? Weiß das irgendjemand?«
    »Alan spricht kaum über ihn. Er sagt nur, er will ihn auf keinen Fall in der Nähe der Kinder haben. Ich weiß, dass er im Gefängnis war, weil Sally seine Adresse von einem Knastbruder bekommen hat, der mit ihm zusammen gesessen hat. Das war vor Tans Taufe. Sie wollte unbedingt, dass wir ihn einladen. Sie sagte, er wäre wieder in London und wolle wieder Kontakt mit seiner Familie«– sie zuckte die Achseln –»aber Al sagte, er solle ja nicht wagen, hier aufzukreuzen, sonst würde er die nächste Tracht Prügel bekommen. Deswegen gab's bei der Geburtstagsfeier von Tansy diesen Krach. Sally und Pauline sagten, Derek sei blank und brauche Hilfe, und Al sagte, seinetwegen könne er verhungern, er würde keinen Finger für ihn rühren.«
    »Hatten Sie nicht Angst, er würde trotzdem kommen?«
    Sie warf einen Blick auf den Hund. »Darum hat Al ja Satan angeschafft. Eigentlich wollte er einen Rottweiler, aber das fand ich zu gefährlich für die Kinder. Ich hielt das damals ehrlich gesagt für rausgeschmissenes Geld.« Sie hob ihren rechten Arm und spannte ihren Bizeps. »Ich war sicher, dass ich problemlos mit Derek fertig werden würde, wenn er es wagen sollte, hier zu erscheinen, aber inzwischen ist uns Satan richtig lieb geworden, und ich würde ihn nicht mehr missen wollen.«
    Ich hätte sie gern vor übertriebener Selbstsicherheit gewarnt, aber ich sagte nur: »Trotzdem – es ist kein Wunder, dass Alan sich Sorgen machte, besonders wenn Derek ganz in der Nähe

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