Schlangenlinien
befreundet, die etwa im gleichen Alter waren – Rosie und Bridget Spalding. Sie haben oft zusammen draußen auf der Straße gespielt. Bridget hat Alans Freund Michael Percy geheiratet und ist nach Bournemouth gezogen, aber ich habe keine Ahnung, was aus Rosie geworden ist.« Ich zog fragend eine Augenbraue hoch, aber Beth, die mit ihrer Teetasse in den Händen an der Arbeitsplatte lehnte, schüttelte den Kopf.
»Al hat zu niemandem aus der Graham Road mehr Verbindung«, sagte sie. »Er besucht hin und wieder seine Mutter, aber er bleibt nie sehr lang, weil ihn das jedes Mal so deprimiert. Wenn es nach ihm ginge, würde er sie überhaupt nicht besuchen, aber ich finde, er muss Jace und Tan ein gutes Beispiel geben. Ich fände es schrecklich, wenn sie mich später, wenn sie erwachsen sind, überhaupt nicht mehr besuchen würden.«
Sie hatte sehr helle Wimpern und Augenbrauen, und ihr Gesicht hatte dadurch etwas Farbloses, was sie allerdings durch ausdrucksvolle Mimik wettmachte. Jetzt zog sie ein ärgerliches Gesicht.
»Sie macht es einem allerdings nicht leicht. Wenn man da ist, beschwert sie sich immer nur darüber, wie allein sie ist und wie schlecht es ihr geht. Es ist ein Teufelskreis. Wenn sie sich ein bisschen zusammenreißen und versuchen würde, nett zu sein, würde er sie wahrscheinlich öfter besuchen. Aber so schiebt er jeden Besuch so lange wie möglich hinaus und fährt da nur hin, weil ihn das schlechte Gewissen plagt.«
»Besuchen Sie und die Kinder sie auch manchmal?«
Wieder antwortete sie mit einer Grimasse. »Ja, wir haben sie ziemlich regelmäßig besucht, bis Jason eines Tages ihr Prozac entdeckte und im Krankenhaus landete. Ich war stocksauer auf sie. Sie braucht diese blöden Tabletten im Grunde überhaupt nicht – meistens nimmt sie sie auch gar nicht. Sie lässt sie sich nur verschreiben, damit sie auf arbeitsunfähig machen und den ganzen Tag zu Hause hocken und fernsehen kann. Ich war vor allen Dingen deshalb so wütend, weil ich sie immer wieder gebeten hatte, das Zeug an einem sicheren Ort aufzubewahren, aber bei der Frau kann man sich den Mund fusslig reden, und es hilft gar nichts. Sie raucht und trinkt, wenn Jace und Tan dabei sind, es ist ihr völlig egal, was ich davon halte, und dann fragt sie mich noch, warum ich mich so aufrege. ‘
Meinen
Kindern hat das nicht geschadet’, sagt sie jedes Mal.«
Ich lachte. »So ähnlich ist es mir mit den Wegwerfwindeln ergangen. Ich machte den Fehler, meiner Mutter zu erzählen, was sie kosten, daraufhin hat sie mir monatelange Vorträge über Geldverschwendung gehalten. Warum nimmst du nicht Stoffwindeln?, fragte sie mich immer wieder... wenn sie für dich gut genug waren, sind sie auch für deine Söhne gut genug.«
Beth trank einen Schluck von ihrem Tee. »Sie mögen Ihre Mutter nicht besonders, nicht wahr?«
Die Frage, so direkt und unverblümt, verblüffte mich ein wenig, vor allem wahrscheinlich deshalb, weil ich sie mir selbst nie gestellt hatte.
»Ich mag sie auf jeden Fall mehr als Sie Maureen, würde ich denken.«
»Ja, aber Maureen ist nicht meine Mutter«, entgegnete sie. »Wissen Sie, es belastet mich furchtbar. Ich hab nicht gern Streit mit den Leuten, aber so wie Alans Verwandte sich benehmen, werden wir bald mit keinem von denen mehr reden. Manchmal hab ich eine Heidenangst, dass es an den Genen liegt und dass meine Kinder eines Tages nach einem Riesenstreit abhauen, und Al und ich sie nie wiedersehen werden.«
»Ach wo, das passiert sicher nicht«, sagte ich tröstend. »Wenn Verhalten erblich wäre, hätten meine beiden längst ihre Sachen gepackt und wären in die Welt hinausgezogen. Aber sie sind solche Nesthocker, dass es eine Stange Dynamit braucht, um ihnen Beine zu machen... oder eine heiße Blondine mit einem Ferrari.«
Sie betrachtete mich nachdenklich. »Vielleicht schlagen sie nach ihrem Vater«, meinte sie.
Eher nach ihrem Großvater, vermutete ich und hütete mich, Beth an die genetische Verbindung zwischen ihren Kindern und Derek zu erinnern.
»Nein, ich bin wie Alan der Meinung, dass Verhalten mehr mit der Erziehung zu tun hat«, sagte ich. »Jason und Tansy sind die Summe ihrer Gene und Erfahrungen, nicht die Summe ihrer Gene allein, sonst wären sie ja praktisch nicht voneinander zu unterscheiden. Sie haben das doch eben selbst bestätigt, als Sie sagten, wie sehr Alan und Danny sich von ihren Schwestern unterscheiden.« Und wie sehr Alan sich jetzt von jenem Jungen zu unterscheiden scheint, den
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