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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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gefunden haben. Die Zustände im Haus hatten mit ihrer Hautfarbe nichts zu tun, sie waren die Folge ihrer Alkoholsucht.«
    »Es waren Wodkaflaschen«, sagte ich.
    Leiser Zweifel flackerte in seinem Auge. »Und?«
    »Sie hat nie Wodka getrunken.« Ich zog ein Bündel Papiere aus meinem Rucksack. »Andy hat mir 1978 eine Liste jedes Kneipenwirts und jedes Spirituosenhändlers in Richmond geschickt. Mein Vater hat es mit viel Arbeit geschafft, mehr als die Hälfte von ihnen ausfindig zu machen. Zwei der Spirituosenhändler erinnern sich gut an Annie. Sie bestätigen beide, dass Annie Stammkundin bei ihnen gewesen ist und stets nur Jamaika-Rum gekauft hat. Und der Wirt vom
Green Man
schreibt, dass er immer ein paar Flaschen Jamaika-Rum auf Lager hatte, eigens für Annie Butts, weil die sich immer furchtbar aufregte, wenn er keinen da hatte.« Ich drückte ihm die Papiere in die Hand.
    Stirnrunzelnd blätterte Drury sie durch. »Das beweist noch lange nicht, dass sie nicht im Supermarkt Wodka gekauft hat«, sagte er.
    »Das ist richtig«, stimmte ich zu.
    »Dann ist es kein Beweis.«
    »Für sich genommen vielleicht nicht, aber wenn Sie sich die beiden letzten Seiten ansehen, dann werden Sie feststellen, dass mehrere Spirituosenhändler sich an Maureen Slaters Vorliebe für Wodka erinnern. Einer von ihnen schreibt, dass sie regelmäßig vorbeikam, nachdem sie ihr Sozialhilfegeld abgeholt hatte, und gleich fünf oder sechs Flaschen auf einmal kaufte. Seinem Brief zufolge hat er es abgelehnt, sie weiter zu bedienen, als sie eines ihrer Kinder schlug – wahrscheinlich Alan –, nur weil dieser sagte, er brauche neue Schuhe.«
    »Na und? Das beweist nichts weiter, als dass Maureen Wodka gekauft hat; es beweist nicht, dass Annie das nicht getan hat. Worauf wollen Sie überhaupt hinaus? Wollen Sie behaupten, dass die Slaters ihre Flaschen in Annies Küche deponiert haben?«
    »Ja!«
    »Wann denn?«
    »Nach ihrem Tod.«
    »Und warum?«
    »Um Sie glauben zu machen, was Sie dann ja tatsächlich glaubten: dass Annie eine Säuferin gewesen war, die in ihrem Haus wie auf einer Müllhalde gelebt hatte und völlig verwahrlost war. Darum drehten die Slaters Strom und Wasser ab und ließen das ganze Katzenfutter verschwinden, das sie eingekauft hatte.«
    »Ach, jetzt hören Sie aber auf«, fuhr er mich ungeduldig an. »
Jeder
hat gesagt, dass sie eine Trinkerin war – nicht nur die Slaters.« Er schlug mit dem Handrücken auf den Papierstapel. »Im Übrigen war Derek dumm wie Bohnenstroh. Niemals hätte der sich so einen Plan ausdenken, geschweige denn konsequent daran festhalten können. Der hätte sich doch schon bei unseren ersten Fragen verraten.«
    »Derek vielleicht, aber Maureen sicher nicht. Sie brauchte nur ihre eigenen Vorurteile gegen Sie auszuspielen.« Ich zitierte ihm seine eigenen Worte. »Sie hätten doch nie geglaubt, dass eine ‘runtergekommene weiße Schlampe’ Sie verladen könnte. Für Sie war doch ganz klar, dass es im Haus ‘einer dreckigen, versoffenen Schwarzen’ nach Scheiße und Pisse stinken würde. Und weshalb hätten Sie sich Gedanken darüber machen sollen, was für Flaschen Sie in Annies Haus gefunden haben. Als Sie die Alkoholflaschen sahen, stand für Sie doch Ihr Urteil bereits fest.«
    »Es bestand überhaupt kein Anlass, sich über die Art der Flaschen Gedanken zu machen. Kein Mensch hatte uns gesagt, dass sie niemals Wodka trank.«
    Ich reichte ihm noch ein Blatt Papier.
    »Was ist das?«
    »Eine Kopie von Sharon Percys Aussage. Sie selbst haben die Vernehmung geleitet. Ihr Name steht oben. In der ersten Hälfte der Aussage geht es darum, wo Sharon Percy an dem fraglichen Abend war – sie hat Ihnen übrigens nur Lügen erzählt –, in der zweiten Hälfte schildert sie Annie aus ihrer Sicht. Irgendwo im letzten Absatz heißt es: ‘Sie hat sich regelmäßig mit Rum betrunken und dann jeden beleidigt, der ihr in den Weg kam. Sie hat mit den leeren Flaschen nach den Kindern geschlagen. Ich habe es immer wieder angezeigt, aber es wurde nie etwas unternommen.’«
    Ungeduldig zerriss er auch dieses Blatt in Fetzen, die er zum Boden hinunter fallen ließ. »Sie greifen nach Strohhalmen«, sagte er. »Sie können Wirbel machen, so viel Sie wollen, das ändert nichts an der Tatsache, dass es damals keinen Anlass gab, irgendjemandes Aussage in Frage zu stellen – und das gilt auch für die Aussage Ihres Mannes. Der Befund der Pathologen war eindeutig – Ann Butts starb, weil sie direkt in einen

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