Schlangenlinien
abends um neun Uhr war. Er behauptete, er hätte mit der Nutte aus dem Viertel in der Kneipe was getrunken.«
»Mit Sharon Percy?«
Er nickte. »Das war glaubhaft. Die beiden waren Stammkunden in dem Pub, und der Wirt bestätigte, dass sie beide an dem Abend da waren. Die Zeitangaben hat er allerdings bei der ersten Vernehmung in Frage gestellt. Er erinnerte sich zwar, Sharon um neun gesehen zu haben, meinte aber, Derek wäre erst später gekommen.« Drury zuckte die Achseln. »Als wir seine Aussage dann zu Protokoll nehmen wollten, machte er einen Rückzieher und sagte, ein Tag wäre wie der andere, er könne nicht beschwören, dass er nicht zwei verschiedene Abende miteinander verwechselte.«
»Wir sprechen hier vom
William of Orange
, richtig?«, sagte ich. »Von dem Pub, in dem Annie Lokalverbot hatte, weil sie schwarz war.«
Er schüttelte gereizt den Kopf. »Sie hatte Lokalverbot, weil sie immer zu viel trank und dann gegen Personal und Gäste ausfallend wurde. Es war das gute Recht des Wirts, ihr die Bedienung zu verweigern.«
Ich sah Sam fragend an.
»In der Nachbarschaft war die Kneipe allgemein als der
Oranjefreistaat
bekannt«, erklärte er Drury. »An der Tür war ein Schild mit der Aufschrift ‘Keine Hunde’, und irgendjemand hatte darunter geschrieben: ‘Und keine Schwarzen’. Es war ein beliebtes Pub, man sah auch ziemlich viele Polizisten dort, aber nie einen Schwarzen.«
»Wenn Sie das gestört hat, hätten Sie es anzeigen sollen.«
»Es hat mich nicht gestört«, sagte Sam aufrichtig. »Ich habe mir nicht einmal Gedanken darüber gemacht.«
»Wieso erwarten Sie dann von mir etwas anderes?«
»Weil es Ihre Aufgabe gewesen wäre. Ich will gar nicht behaupten, dass ich Ihnen Lorbeerkränze umgehängt hätte – ich wäre bestimmt nicht scharf darauf, von der verrückten Annie beschimpft zu werden, während ich gemütlich mein Bier trinken wollte –, aber die Gesetze über Rassendiskriminierung waren klar und eindeutig, und jeder, der so etwas wie ‘Keine Schwarzen’ auf seine Tür schrieb, hätte belangt werden müssen.« Er hielt inne, um einen Blick mit mir zu wechseln, offensichtlich nicht sicher, wie weit er gehen sollte oder konnte. »Der Wirt hat nach dem Unfall förmlich frohlockt«, sagte er abrupt. »Jedem, der es hören wollte, hat er erzählt, wir könnten einem Lastwagenfahrer dafür danken, dass unsere Straßen jetzt sauberer seien.«
»In meinem Beisein hat er das nie getan«, kam es wie aus der Pistole geschossen von Drury. Vermutlich war er schon einmal mit diesem Sachverhalt konfrontiert worden; wahrscheinlich zur Zeit seiner Entlassung.
»Haben Sie sich also die Mühe gemacht, Derek wegen seines Alibis in die Zange zu nehmen?«, fragte ich trocken. »Oder fanden Sie es bequemer, ihm klammheimlich mitzuteilen, dass
ich
das Problem wäre und es für alle Beteiligten die beste Lösung wäre, mich mundtot zu machen? Wie genau haben Sie es formuliert? He, Derek, tun Sie uns allen einen Gefallen und erteilen Sie diesem Miststück, dieser Niggerfreundin, eine gründliche Lektion, Ihr Alibi stinkt nämlich zum Himmel, und wenn Sie es nicht tun, kriegen Sie Ärger. Oder haben Sie vielleicht Maureen einen kleinen Wink gegeben, als Sie sich den so genannten Krimskrams in ihrem Wohnzimmer angeschaut haben?«
Ich sah, wie er Sam einen ängstlichen Blick zuwarf, aber angesichts dessen offenkundiger Ahnungslosigkeit in Bezug auf meine Worte sogleich sein Selbstvertrauen wiedergewann. »Natürlich habe ich ihn in die Zange genommen«, erklärte er gereizt. »Er hat an seiner Aussage festgehalten – und Sharon genauso. Sie behaupteten beide, sie wären den ganzen Abend im Pub gewesen. Wir haben ihnen nicht geglaubt, aber wir hatten keine Handhabe gegen sie, solange sie einander nicht widersprachen.«
»Haben Sie jemals festgestellt, was die beiden in Wirklichkeit getrieben haben?«
Er zuckte die Achseln. »Wir konnten nur vermuten, dass Sharon mit einem Kerl zugange war und Derek irgendwo auf Raubzug. Sie waren beide vorbestraft – Sharon wegen Prostitution und Derek wegen bewaffneten Raubüberfalls und Diebstahl.«
»Sharon war mit Geoffrey Spalding zusammen«, sagte ich. »Er wohnte in Nummer 28 und hat sich einmal im Monat in einem Hotel mit ihr getroffen, weil er hoffte, seine Frau und seine Töchter würden dann nicht erfahren, was er trieb. Er ist der Mann, der sagte, er hätte Annie gegen Viertel nach acht auf der Straße gesehen und versucht, sie nach Hause zu
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