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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Moment zu wünschen, ich könnte das Bild in seiner malerischen Schönheit genießen, dann packte er grob meinen Arm.
    »Das ist doch alles Wahnsinn!« Er riss mich herum. »Sie sagen, Sie wollen, dass der Fehler von einst wieder gutgemacht wird. Wie denn? Wenn Sie mich vernichten, wird das weder Ihnen noch Annie Gerechtigkeit verschaffen. Oder soll ich Ihnen Derek Slater auf dem silbernen Tablett servieren? Ist es das, was Sie wollen?«
    Ich versuchte, mich loszureißen. »Die Leute beobachten uns«, sagte ich.
    »Sollen sie doch«, knurrte er. »Ich möchte das jetzt ein für alle mal geklärt haben.«
    »In Ordnung. Wenn ich jetzt also schreie – was ich ganz bestimmt tun werde, wenn Sie mich nicht sofort loslassen –, haben wir mindestens hundert Zeugen, die die Beurteilung Ihres Vorgesetzten, dass Sie ein gewalttätiger Mensch sind, bestätigen können.«
    Er ließ mich augenblicklich los.
    Ich sah ihn mit einem zynischen Lächeln an, während ich mir den Arm rieb. »Es ist gar nicht so lustig, nicht wahr, wenn plötzlich der andere am Drücker sitzt? Sie würden doch auf dem Bauch hier über den Platz kriechen, wenn ich Ihnen dafür verspräche, alles zu verbrennen, was in meinem Rucksack ist. Habe ich Recht?«
    »Treiben Sie's nicht zu weit«, sagte er leise in drohendem Ton. »Wenn Sie jetzt an die Öffentlichkeit gehen, erreichen Sie doch nicht mehr, als dass Sie mich zum Sündenbock machen. Derek kriegen Sie damit nicht hinter Gitter – bestimmt nicht nach so langer Zeit. Ist das wirklich die Art von Gerechtigkeit, um die es Ihnen geht?«
    »Es ist besser als gar nichts.«
    Er schlug sich mit der Faust in die offene Hand. »Wenn Sie's auf mich abgesehen hätten, dann hätten Sie mich nicht gewarnt.« Das klang logisch.
    »Vielleicht macht es mir Spaß, Sie schwitzen zu sehen«, murmelte ich.
    »Vielleicht würde es mir Spaß machen, Ihnen Ihr gottverdammtes Maul zu stopfen«, sagte er zähneknirschend. »Da würden Sie nicht weit kommen. Meine beiden Söhne stehen direkt hinter Ihnen.«
    Er konnte mit der Warnung nichts anfangen – dass ich Kinder haben könnte, war ihm nie in den Sinn gekommen – und starrte mich wütend und verblüfft an wie ein abgekämpfter Stier, der nicht weiß, wie er mit dem Matador fertig werden soll. »Wovon zum Teufel reden Sie?«
    »Von meinen Leibwächtern.« Ich nickte Luke und Tom zu. »Ich bin vorsichtig geworden.«
    Er brauchte ein, zwei Sekunden, um zu begreifen, dann drehte er sich ruckartig herum und stellte fest, dass ich die Wahrheit gesagt hatte. Vielleicht hatte er sich meine Söhne jünger oder kleiner vorgestellt, er war jedenfalls sichtlich beeindruckt. »Scheiße!«, sagte er. »Was zum Teufel geht hier eigentlich vor?«
    »Mein Mann wartet im Wagen auf uns«, erklärte ich. »Ich möchte gern, dass er hört, was Sie als Nächstes zu sagen haben.«
    Drury warf einen nervösen Blick auf die Jungen. »Und das wäre?«
    Ich machte ihm das gleiche Angebot, das ich schon Maureen gemacht hatte. »Ich möchte Ihnen ein Geschäft vorschlagen«, sagte ich. «In einer Hinsicht haben Sie nämlich Recht. Mir geht es bei meinem Streben um Gerechtigkeit um etwas«–, ich suchte nach einem Wort, »um etwas Fundamentaleres, als Sie zum Sündenbock zu machen.«
    Ich glaubte nicht, dass er mit mir kommen würde, zumal die Jungen ins Pub zurückkehrten, sobald ich mich in Bewegung setzte, aber vielleicht hatte er eine falsche Vorstellung davon, was ich Sam hören lassen wollte – oder was ich mit fundamentaler Gerechtigkeit meinte ...

    Der Wagen stand auf der anderen Seite des Fischerhafens, mit Blick zum Wasser hinaus, und als wir uns näherten, öffnete Sam die Tür und stieg aus. In einer Anwandlung von Übermut machte ich die beiden Männer miteinander bekannt, indes ich meinen Rucksack auf der Kühlerhaube abstellte. »Mein Mann, Mr. Ranelagh. – Mr. Drury.« Sie nickten einander zu, finster wie zwei misstrauische Rottweiler. Die Hand gaben sie einander nicht. »Sie haben mich vorhin gefragt, ob ich erwarte, dass Sie mir Derek auf dem silbernen Tablett servieren«, erinnerte ich Drury, »aber ich wüsste nicht, wie Sie das machen sollten, wenn Sie nicht damals Beweismaterial unterschlagen haben.«
    Er sah Sam an, mit zusammengepressten Lippen, sich der Tatsache bewusst, dass alles, was er jetzt sagte, von einem Zeugen gehört würde. »Es wurde kein Beweismaterial unterschlagen«, sagte er scharf. »Es gab lediglich gewisse Zweifel an Dereks Aussage darüber, wo er

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