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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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schicken.«
    »Ich erinnere mich an ihn.«
    »Ich glaube, dass er in Bezug auf die Zeit gelogen hat«, fuhr ich fort. »Jock Williams zufolge kam Sharon Percy um kurz nach neun mit einem Taxi vor dem
William of Orange
an. Er sagte, sie sei stockblau gewesen und offensichtlich gerade von einem anderen Kunden gekommen, und ich wette, dieser Kunde war Geoffrey Spalding, der sich von demselben Taxi, das Sharon zum Pub brachte, vorher an der Graham Road absetzen ließ. Das heißt, wenn Geoffrey überhaupt mit Annie gesprochen hat, dann muss es eine Stunde später gewesen sein, als er sagte.« Drury wollte davon nichts wissen. »Ich habe im Beisein seiner Frau mit ihm gesprochen, und sie erhob keinerlei Einwände, als er sagte, dass er um halb neun zu Hause war.«
    »Weil sie gar nicht gemerkt hat, wann er nach Hause gekommen ist. Sie hatte Brustkrebs und bekam damals Chemotherapie. Und garantiert hat sie geschlafen, als er nach Hause kam, ganz gleich, um welche Zeit. Was sagte er denn, wo er gewesen sei?«
    Drury dachte zurück. »Er sagte, er hätte Überstunden gemacht. Völlig harmlos.«
    Ich wandte mich Sam zu. »Ich habe immer schon den Verdacht gehabt, dass er in dem Moment am Haus von Jock und Libby vorbeigegangen sein muss, als du dort herauskamst – sonst hättet ihr beide, du und Libby, doch kein Alibi gebraucht.«
    »Es stimmt, es ist jemand vorbeigegangen«, gab er zu, »aber ich habe keine Ahnung, wer es war. Ich kann nicht einmal mit Sicherheit sagen, dass es ein Mann war. Es kann genauso gut irgendeine wildfremde Person gewesen sein, die die Graham Road als Abkürzung benützte, aber Libby hat fast durchgedreht und sagte sofort, die Leute würden zu reden anfangen –« Er drückte seinen Nasenrücken mit Daumen und Zeigefinger. »Tut mir Leid«, sagte er nach einer kurzen Pause. »Glaubst du, das ist der Mann, der Annie getötet hat?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich langsam, »aber ich habe nie verstanden, warum er gesagt hat, dass er mit Annie gesprochen hat, wenn es nicht tatsächlich so war. Es wäre doch eine völlig unnötige Lüge gewesen. Er hätte das Gleiche tun können, was du und Jock getan habt. Er hätte sagen können, er habe sie auf der anderen Straßenseite gesehen.«
    »Die Leute schmücken doch alle ihre Geschichten aus«, bemerkte Drury. »Das gibt ihnen ein Gefühl von Wichtigkeit.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Sie wurde gegen neun Uhr von zwei verschiedenen Parteien gesehen. Von dem Ehepaar Pardoe aus Nummer 8, das sie vom Schlafzimmerfenster aus beobachtete; und von dem Paar im Auto, das ausgesagt hat, dass sie ihnen direkt vor den Wagen gelaufen ist. Diesen Aussagen zufolge also war sie gegen neun Uhr noch auf den Beinen – aber als Sam um Viertel nach neun an ihr vorüberkam, lag sie schon in der Gosse.«
    »Das entspricht aber nicht dem, was Mr. Ranelagh damals aussagte.«
    »Seine revidierte Aussage war in dem Umschlag«, sagte ich ungeduldig. »Ich weiß, dass Sie sie gelesen haben. Die Frage ist doch, war Annie noch auf den Beinen, als sie Geoffrey Spalding begegnete? Und wenn ja, hat sie mit ihm gesprochen? Ich denke, sie war auf den Beinen und sie hat mit ihm gesprochen – und das, was sie sagte, machte ihn so wütend, dass er sie auf die Straße hinausstieß. Das wäre eine Erklärung dafür, warum er die Zeit um eine Stunde vorrückte. Es wäre außerdem eine Erklärung dafür, warum Sharon bereit war, Derek ein Alibi zu geben. Hätte sie Ihnen gesagt, dass sie mit einem Kunden zusammen war – und hätten Sie herausbekommen, wer es war –, wäre Ihnen sofort klar gewesen, dass Geoffrey Spalding der Letzte war, der mit Annie gesprochen hatte.«
    Drury runzelte die Stirn. »Und?«
    »Sie wären zu dem gleichen Schluss gelangt wie er – dass er sie getötet hatte.«
    Er sagte gereizt: »Vor einer halben Stunde haben Sie Pathologiebefunde ausgefahren, denen zufolge sie mehrere Stunden vor Eintritt des Todes zusammengeschlagen wurde, jetzt sagen Sie, dass Geoffrey Spalding sie ermordet hat. Wann entscheiden Sie sich endlich, Mrs. Ranelagh?«
    Sam mischte sich ein. »Sie sagt ja gar nicht, dass Spalding Annie getötet hat«, erklärte er ruhig, »sondern nur, dass er
glaubte
, es getan zu haben. Mir selbst ist es nicht viel anders gegangen. Seit zwanzig Jahren frage ich mich, ob nicht ich sie getötet habe. Und vielleicht habe ich es getan. Vielleicht bedeutete diese Viertelstunde, die ich sie da draußen in der Gosse liegen ließ, den Unterschied zwischen Leben

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