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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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sagte nichts.
    »Und Sie täuschen sich, wenn Sie meinen, er wäre ein harmloses kleines Bürschlein gewesen«, fuhr er fort. »Der hatte überhaupt nichts anderes im Kopf als Sex. Ich weiß, dass er immer Pornohefte geklaut und die Bilder angeschaut und sich dabei dumm und dämlich gewichst hat. Eigentlich war's urkomisch – bis es ihm plötzlich nicht mehr genug war. Eines Tages hat er sich Rosie geschnappt, Bridgets Schwester, und gesagt, er würde es mit ihr machen, und als sie nicht wollte, hat er sie einfach auf den Boden geschmissen und es trotzdem gemacht. Sie war erst zwölf, die arme Kleine, und es hat wochenlang nicht aufgehört zu bluten.« Sein Mund wurde schmal vor Zorn bei der Erinnerung. »Aber sie hatte solche Angst, dass sie keinem Menschen außer mir was davon gesagt hat. Ihre Mutter war krank, und ihr Vater war nie da. Da hab ich mich um sie kümmern dürfen. Ich hab Alan vertrimmt, bis er nicht mehr kriechen konnte, und hab ihm gesagt, wenn er so was noch mal täte, würd ich ihn umbringen.«
    »Wie alt waren Sie da?«
    »Fünfzehn. Es war nicht allzu lange, nachdem Sie weggezogen waren.«
    »Und hat er es wieder getan?«
    Michael zuckte die Achseln. »Wenn ja, hab ich es nie erfahren. Ungefähr eine Woche später ist er mit einem Baseballschläger auf seinen Vater losgegangen – es war beinahe so, als wär plötzlich sein Hirn explodiert, und es wär eine Sprechblase mit den Worten, ‘Hey, ich hab jetzt Kraft genug, um es mit Typen wie dir aufzunehmen’, rausgekommen. Danach hat ihn Sex anscheinend nicht mehr so brennend interessiert.«
    Ich versuchte, die Ereignisse zeitlich einzuordnen. »Seine Frau hat mir erzählt, Sie beide wären sich Bridgets wegen in die Haare geraten.«
    Er schüttelte den Kopf. »Wir haben uns nur das eine Mal geprügelt, und das war wegen Rosie.«
    »Sie hat mir erzählt, Alan wäre in Bridget vernarrt gewesen und hätte Sie eines Tages mit ihr im Bett ertappt. Da hätte er Sie halb tot geprügelt und wäre dafür in der Jugendstrafanstalt gelandet.«
    »Das muss er geträumt haben.« Er runzelte verwundert die Stirn. »Für Bridget hat er nach der Geschichte mit ihrer Schwester überhaupt nicht mehr existiert. Wieso erzählt er solchen Quatsch? Wem will er was vormachen?«
    »Beth vielleicht?«, meinte ich. »Seiner Frau.«
    »Aber warum?«
    »Keine Ahnung.«
    »So ein Idiot. Es ist immer besser, die Wahrheit zu sagen«–, er lachte, als er sich selbst hörte –»auf jeden Fall,
nachdem
man erwischt worden ist. In so einer Umgebung wie hier lässt sich nichts lange geheim halten.«
    Ich sah mich in dem Raum um. Überall Häftlinge und ihre Familien, redend, lauschend, unter ständiger Beobachtung der Wärter. Ja, ich konnte mir das gut vorstellen. In einem Goldfischglas gab es keine Geheimnisse. Und ich fragte mich, welcher Art die Kontrolle war, die Maureen Slater über ihre Familie ausübte, dass bis heute kein Sterbenswörtchen über Alans Verworfenheit herausgekommen war.

    * * *

    Brief von John Howlett, Tierschutzbeauftragter mit derzeitigem Wohnsitz in Lancashire, aus dem Jahr 1999
    White Cottage
Littlehampton
Nr Preston.
Lancashire
    Mrs. M. Ranelagh
Leavenham Farm
Leavenham
Nr Dorchester
Dorset DT2 XXY
    11. August 1999
    Liebe Mrs. Ranelagh,

Ihr Schreiben war mir eine große Erleichterung. Die schrecklichen Funde, die wir damals in Miss Butts Haus machten, haben mir immer Kopfzerbrechen bereitet, und ich bin dankbar für die Aufforderung, die Sache aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Sie haben Recht, ich hatte vor Miss Butts Tod
niemals
Anlass, sie der Tierquälerei zu verdächtigen.
    Dr. Arnold war der Auffassung, Miss Butts sei in den Tagen vor ihrem Tod bestohlen worden, und hielt dies für die Ursache des rapiden Verfalls ihrer Lebensumstände, dessen Auswirkungen wir am 15.11.1978 vorfanden. Zwar fand ich diese Theorie recht einleuchtend, sie schien mir jedoch keine ausreichende Erklärung für die Anzahl und/oder den Zustand der im Haus vorhandenen Katzen. Die Polizei vertrat die Ansicht, Miss Butts sei eine schwierige, geistig gestörte Frau gewesen, die offensichtlich nicht fähig gewesen war, für sich selbst zu sorgen. Angesichts der Zustände im Haus sah die Polizei sich in dieser Überzeugung nur bestätigt. Es lohnt sich vielleicht, an dieser Stelle zu erwähnen, dass Sergeant Drury mir eine Stunde vor der geplanten Hausbesichtigung mitteilte, es befänden sich mehr als zwanzig Katzen auf dem Anwesen. Als ich die genannte Zahl in

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