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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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angemacht. Er dachte, sie wäre stockbesoffen, und hat seinen Schwanz rausgeholt –« Er brach ab und sprach nicht weiter.
    »Hat sie etwas zu Ihnen gesagt?«
    Er hob kurz den Kopf und sah Sharon an. »Sie hat ein paarmal gesagt, das Flittchen hätt sie geschlagen – Mike ist total ausgerastet und hat sie getreten, bis sie endlich die Klappe gehalten hat. Dann sind wir runter zur Spielhalle, und Mike hat zu mir gesagt, er bringt mich um, wenn ich auch nur ein Sterbenswörtchen über seine Mutter verlauten lasse. Wen interessiert das schon, hab ich gemeint. Ist doch ganz egal, wer's getan hat, Hauptsache, die verschwindet endlich.«

    »Ich hab Ihnen ja gesagt, dass wir's nicht waren«, rief Maureen triumphierend. »Ich hab gleich gesagt, Sie sollen sich an das Flittchen da halten. Die und ihr Sohn haben's zusammen gemacht.« Sie hob zwei Finger und stach mit ihnen nach Geoffrey. »Darum haben Sie die Irre auf die Straße geschmissen – weil sie Ihnen gesagt hat, wer sie verprügelt hatte.«
    Mir war übel. Obwohl ich vermutet hatte, dass Michael wusste, wie Annie umgekommen war, hatte ich stets gehofft, er wäre an ihrem Tod nicht beteiligt gewesen. Aber konnten Fußtritte um halb neun Uhr abends die Blutergüsse in Annies Oberschenkeln verursacht haben, die auf den Fotos so deutlich zu sehen waren? Ich richtete meinen Blick auf Sharon. Tritt für deinen Sohn ein, hätte ich sie am liebsten angeschrien. Sag ihnen, wie klein und zart er für sein Alter war – dass solche mörderischen Tritte sie früher getroffen haben müssen – dass sie sie von jemandem empfangen haben muss, der viel kräftiger war...
    »Ist das wahr, Geoffrey?«, fragte Wendy erschrocken.
    »Nein«, murmelte er, während sein Blick ungläubig auf Sharon ruhte. »Sie hat überhaupt nichts gesagt. Sie hat sich nur an meinen Ärmel geklammert und versucht, sich aufrecht zu halten. Da habe ich sie weggestoßen...« Seine Stimme versagte, als er sich zu fragen begann, wie viele Lügen ihm Sharon aufgetischt hatte. »Kein Wunder, dass du mich in dem Glauben gelassen hast, es wäre meine Schuld«, stieß er wütend hervor. »Wen wolltest du decken? Dich selbst oder deinen missratenen Sohn?«
    Sharons einzige Erwiderung war eine zaghafte Geste der Abwehr, indes gleichzeitig das letzte bisschen Farbe aus ihrem Gesicht wich.
    »Wenn sie ohnmächtig wird, könnte sie sich verletzen«, warnte ich.
    »Soll sie doch», versetzte Maureen gehässig. »Das würde ihr nur recht geschehen.«
    »Mein Gott!« Mit einem verdrossenen Seufzer stand ich auf, um Wendy zu helfen, Sharons schlaffen Körper zu stützen. »Wenn Sie das glauben, warum haben Sie dann Drury damals nicht Bescheid gesagt?«
    Aber das war eine dumme Frage, und sie machte sich auch gar nicht die Mühe, sie zu beantworten. Sie hatte ja Annies Tod nie bedauert. Ihr war es einzig darauf angekommen, aus der Schusslinie zu bleiben, um aus ihrer Diebesbeute ungestört den größtmöglichen Profit schlagen zu können. Und wenn das damit zu erreichen war, dass man an die niedrigsten Instinkte des Mannes appellierte, um ihn aufzustacheln, Frauen in Angst und Schrecken zu stürzen, dann ging das durchaus in Ordnung. Irgendwie konnte ich sie sogar dafür bewundern, denn sie lebte in einer Welt, in der die Gier herrschte – sei sie nun sexueller oder materieller Natur –, und nach ihren eigenen Maßstäben hatte sie sich erfolgreich geschlagen. Ganz sicher war sie der einzige Mensch in diesem Zimmer, der das Eigentum an seinem Haus seiner Geistesgegenwart und Raffiniertheit zu verdanken hatte.
    Ich berührte mit einer Hand Sharons platinblond gefärbtes Haar. Es war trocken und staubig unter meinen Fingern. »Das Schlimmste, was diese Frau Annie angetan hat, war, dass sie ihr einmal einen Eimer Wasser über den Kopf geschüttet und sich ein paarmal bei der Gemeinde über sie beschwert hat«, sagte ich zu Geoffrey, »und wenn Sie das nicht glauben können, dann sollten Sie schleunigst verschwinden und ihr eine Chance geben, ihren Sohn zurückzugewinnen.«
    »Aber –«
    »Was aber?«, fuhr ich ihn an. »Wollen Sie lieber Maureen glauben?« Ich packte ihn beim Ellbogen und zwang ihn, Sharon ins Gesicht zu sehen. »Die Frau hat mehr als zwanzig Jahre lang zu Ihnen gestanden – wie viel länger müssen Sie sie noch kennen, ehe Sie ihr vertrauen? Oder muss sie sich immer an den miesen Maßstäben messen lassen, nach denen Sie und dieses Gesindel da drüben«– ich wies zum Sofa –»leben?« Ich sprach ebenso

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