Schlangenlinien
Herz, als wir davongingen. »Das ist das erste Mal, dass ich Angst in Ihrem Gesicht gesehen habe.«
»Geht es Ihnen gut?«, fragte ich besorgt und schob ihr die Hand unter den Ellbogen.
»Überhaupt nicht. Das war ja ein Schock nach dem anderen. So was habe ich noch nie erlebt.« Sie ließ ihr Gesäß auf die Gartenmauer von Nummer 18 hinunter. »Ich muss erst mal wieder zu Atem kommen.« Sie holte ein paarmal tief Luft und hob, als sie sich zu erholen begann, drohend einen Finger. »Mein Mann würde Ihre Rachsucht überhaupt nicht gutheißen, mein Kind. Er würde sagen, der Weg in den Himmel führt über die Vergebung.«
»Hm«, stimmte ich zu. »Das hat er mir damals auch schon gesagt, als ich wegen der Sache mit Derek und Alan bei ihm war.«
Sie schnalzte unmutig mit der Zunge. »Das war wohl der Moment, als er Sie enttäuscht hat?«
Ich blickte zur Straße hinaus. »Er hat es ja nicht absichtlich getan«, sagte ich. »Er hat genauso reagiert wie alle anderen – er hielt mich für hysterisch.« Ich drehte den Kopf nach Maureen, die immer noch an ihrem Gartentörchen stand. »Ich glaube, ich weiß jetzt, warum. Ich bin nie lange genug objektiv geblieben, um meine Stimme zu beherrschen. Und das schreckt die Leute ab.«
»Aber warum haben Sie sich gerade meinen Mann ausgesucht?«, fragte sie neugierig. »Hatten Sie denn sonst niemanden, mit dem Sie hätten reden können?«
Nur Libby ... »Es war mehr die Kirche als Ihr Mann«, antwortete ich. »Mir ist nichts anderes eingefallen.«
»Ach Gott, das tut mir wirklich Leid. Da müssen Sie tatsächlich eine Enttäuschung erlebt haben.«
Ich schüttelte den Kopf. »Eigentlich war's mehr eine Aufrüstung. Heulend und jammernd bin ich reingegangen, und rausgekommen bin ich als Racheengel.« Ich lachte kurz auf. »Und ich dachte bei mir, wenn ich jemals verzeihe, dann zu meinen eigenen Bedingungen und bestimmt nicht auf Befehl eines fetten, verschwitzten Kerls im langen Gewand, der überzeugt ist, dass ich lüge.« Ich erinnerte mich plötzlich, wen ich vor mir hatte, und war verlegen. »Oh, entschuldigen Sie. Ich wollte nicht unhöflich sein.«
Wendy straffte die mageren Schultern und stand auf. »Die Beschreibung ist gut«, sagte sie kurz. »Peter ist der geborene Schauspieler und fühlt sich im Kostüm am wohlsten. Er meint, es verleihe seinen Worten Autorität.«
»Ich war damals ja wirklich ziemlich daneben«, sagte ich, um ihn ein wenig in Schutz zu nehmen, »und er war ehrlich bemüht, nett und teilnahmsvoll zu sein.«
»Er hat kein Feuer im Hintern, das ist sein Problem. Ich sag ihm ständig, dass seine Predigten zum Einschlafen politisch korrekt sind. Er soll doch das Böse anprangern und keine Statements für die Liberalen abgeben.«
Ich lachte. »Sie würden als Pfarrerin wohl mit eisernem Besen kehren?«
»Das ist das einzig Wirksame«, erklärte sie vergnügt.
»Ein bisschen Hölle und Verdammnis schlägt die Sünde schneller in die Flucht als alles andere.
Und
es ist dramatischer. Hölle und Teufel sind weit aufregender als die Seligkeit und Majestät des Himmels.«
Ich fand sie hinreißend – in ihrer Offenheit – ihrer Unerschütterlichkeit – und, das fehlte gerade noch, in ihrer Ähnlichkeit mit meiner Mutter! Aber ich sah ihr an, dass sie bis ins Letzte erschöpft war. Ich überredete sie, sich wieder niederzusetzen, während ich in meinem Rucksack nach dem Handy kramte, das ich mir am Morgen von Luke geliehen hatte, um ein Taxi zu rufen. Noch ehe ich es gefunden hatte, hielt neben uns ein Auto an.
»Kann ich Sie mitnehmen?«, fragte Alan unwirsch durch das offene Fenster. »Wir kommen direkt an der Alveston Road vorbei.«
Ich war zu verblüfft, um ihm eine Antwort zu geben, und sah Wendy an.
»Vielen Dank«, sagte sie und richtete sich würdevoll auf. »Das ist ganz reizend von Ihnen.«
Während der Fahrt sprach keiner ein Wort. Derek und Wendy genossen offensichtlich das Schweigen, während Alan immer wieder mit nervösen Blicken in den Rückspiegel sah und dabei zuckende Mundbewegungen machte, als versuchte er, Worte zu formen, die bei mir Anklang finden würden.
Aber erst als er in der Alveston Road anhielt, fand er den Mut, es zu riskieren. Er drehte sich herum. »Es ist wahrscheinlich ein bisschen spät ...« Er geriet ins Stocken. »Ich meine, ich könnt's verstehen, wenn Sie jetzt nichts mehr hören wollen – aber ich wollte, ich hätte nie – hat Danny Ihnen erzählt, dass ich seit fünfzehn Jahren sauber bin?«
Ich sah
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