Schlangenlinien
besonders beeindruckt bin. Ihre Pflicht, den Umständen von Miss Butts' Tods nachzugehen, scheinen sie mir beide wenig ernst zu nehmen. Ich würde zwar nicht so weit gehen zu behaupten, sie sei ermordet worden – was wohl, so weit ich weiß, eine der Nachbarinnen behauptet –, aber ich bin sicher, dass sie durch den Einbruch in ihr Haus und den Diebstahl all der Dinge, die ihr lieb und teuer waren, in extreme innere Erregung geriet. Das wiederum mag zu ihrer Verwahrlosung und zu dem unmäßigen Alkoholgenuss geführt haben, der mit schuld war an ihrem Tod.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Sheila Arnold
* * *
White Cottage
Littlehampton
Nr Preston
Lancashire
Dr. Sheila Arnold
39 Lyvedon Avenue
Richmond
Surrey
24. März 1983
Liebe Frau Dr. Arnold,
bedauerlicherweise kann ich mich weder an den Kaminsims noch an die Gegenstände darauf erinnern. Meine Frau hat mir aber eines der Bilder im Wohnzimmer ins Gedächtnis gerufen – ein gerahmtes Mosaik einer aztekischen Gottheit Quetzalcoatl, auch bekannt als die Gefiederte Schlange. Meine Frau liebt D.H. Lawrence, und offenbar habe ich ihr nach einem meiner Besuche in der Graham Road erzählt, dass Miss Butts ein ganz außergewöhnliches Mosaik mit einer Darstellung der Gefiederten Schlange besitzt. So Leid es mir tut, ich kann mich beim besten Willen weder an das Bild noch an die Unterhaltung erinnern. Aber meine Frau ist fest davon überzeugt, dass es die »verrückte Schlange mit den Katzen« war, die den Quetzalcoatl an der Wand hängen hatte.
Ich hoffe, das hilft Ihnen weiter, und verbleibe mit freundlichen Grüßen
Ihr John Howlett
* * *
Briefwechsel zwischen Dr. Sheila Arnold und der Polizeidienststelle Richmond – aus dem Jahr 1983
39 LYVEDON AVENUE, RICHMOND, SURREY
Sergeant J. Drury
Polizeidienststelle Richmond
Richmond
Surrey
25. Mai 1983
Betreff: Miss Ann Butts,
Graham Road 30,
Richmond, Surrey
Sehr geehrter Sergeant Drury,
nach zahlreichen persönlichen und telefonischen Gesprächen mit Ihnen empfinde ich wachsenden Zorn darüber, dass Sie es noch immer ablehnen, der Möglichkeit nachzugehen, dass das Haus von Miss Butts vor ihrem Tod am 14.11.1978 ausgeraubt wurde. Mangels anderer Erklärungen muss ich daraus schließen, dass die Polizei Richmond Ann Butts heute noch genauso gleichgültig gegenübersteht wie zum Zeitpunkt ihres Todes.
Es ist inakzeptabel von Ihnen zu behaupten, wie Sie das heute Morgen am Telefon taten, für jemanden, der so durchgedreht sei wie die ‘verrückte Annie’, sei es ein Leichtes, innerhalb von acht Wochen ein Vermögen für Alkohol auszugeben. Wie Ihrem eigenen Bericht aus dieser Zeit zu entnehmen ist, hatte sie 4000 Pfund auf der Bank und 15000 Pfund auf dem Sparbuch. Sie hätte es also nicht nötig gehabt, ihre Wertsachen zu verkaufen. Ich kann nicht genug betonen, dass das Tourette-Syndrom keine Geisteskrankheit ist, sondern vielmehr Ausdruck der Unfähigkeit, gewisse motorische Funktionen zu beherrschen. Miss Butts' Neigung, Grimassen zu schneiden und vor sich hin zu murmeln, beeinträchtigte in keiner Weise ihre Intelligenz.
Ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass ihr außerordentlich rapider Verfall mit der Plünderung ihres Hauses eine Woche vor ihrem Tod zusammenhing. Ich habe Ihnen schon mehrmals erklärt, dass ein Eindringen in ihr Haus auf Grund ihrer zwanghaften und damit
unkontrollierbaren
Besorgnis um ihr Heim und ihre persönliche Sicherheit extreme Angstzustände ausgelöst hätte. Und es ist sinnlos zu behaupten, sie hätte in solch einem Fall die Polizei geholt. Alle Fremden machten ihr Angst, auch uniformierte Beamte (vergleichen Sie John Howletts Brief vom 7. März 1983). Und wenn Sie und Ihre Kollegen sie zu ihren Lebzeiten mit derselben Gleichgültigkeit behandelt haben, die Sie jetzt an den Tag legen, dann gab es für sie auch keinen Grund, Ihnen zu trauen. In dieser Hinsicht dem Misstrauen Fremden gegenüber kann Miss Butts' Verhalten als irrational bezeichnet werden. In jeder anderen Hinsicht war ihr Verhalten normal.
Ich zögere, Ihre Gleichgültigkeit als Verachtung zu deuten, obwohl ich zornig genug bin, anzunehmen, dass genau dies zutrifft. Gewiss, Miss Butts litt an einer neurophysiologischen Störung, und sie war von schwarzer Hautfarbe, aber keine dieser Tatsachen dürfte Sie in der Entscheidung beeinflussen, ob ihr, wenn auch verspätet, Gerechtigkeit zuteil werden soll.
Natürlich stimmt es – ich zitiere Sie –, dass die Kosten für eine Verfolgung der vorgeblichen
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