Schlangenlinien
Diebe den Nutzen, der dem Steuerzahler aus einer Sicherstellung des Diebesguts erwachsen würde, bei weitem überstiegen, aber seit wann hat Gerechtigkeit etwas mit Kosten zu tun? Vor dem Recht sind alle gleich. Ihre Bemerkung jedoch deutet darauf hin, dass die Polizei bestimmt, wie, wann und in wessen Namen sie für Gerechtigkeit eintritt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Sheila Arnold
c.c. Superintendent Hathaway, Polizeidienststelle Richmond,
Mr. William Whitelaw, Innenminister
* * *
Superintendent A.P. Hathaway, Polizei Richmond
Dr. Sheila Arnold
39 Lyvedon Avenue
Richmond
Surrey
21. Juni 1983
AZ:APH/VJ
Betreff: Miss Ann Butts, Graham Road 30, Richmond
Sehr geehrte Frau Dr. Arnold,
besten Dank für die Kopie Ihres Schreibens vom 25. Mai an P.S. Drury sowie für die Kopien der Korrespondenz und Notizen zu den Telefonaten. Ich habe das alles mit großem Interesse gelesen und den Fall ausführlich mit Sergeant Drury besprochen. Auch wenn ich Ihrer Behauptung, Miss Butts sei vor ihrem Tod beraubt worden, durchaus Verständnis entgegenbringe, stimme ich dennoch mit Sergeant Drury überein, dass eine Untersuchung sinnlos wäre.
Sergeant Drury gibt zu, dass bei der Untersuchung im November 1978 die Möglichkeit eines Diebstahls außer Acht gelassen wurde. Er betont aber, dass er zu keiner Zeit darauf aufmerksam gemacht wurde, dass das Haus sich in einem ungewöhnlichen Zustand befand. Es gab zahlreiche Hinweise darauf, nach wiederholten Beschwerden der Nachbarn bereits schriftlich dokumentiert, dass das Haus voller Katzen war; dass ständig ein übler Geruch aus dem Haus wahrnehmbar war; dass Miss Butts in unhygienischen und verwahrlosten Verhältnissen lebte. Angesichts dieser Umstände bin ich nicht der Meinung, dass Sergeant Drury gleichgültig oder nachlässig gehandelt hat.
Die Zahl der Diebstähle und Einbrüche in England und Wales steigt jährlich um 15 Prozent, und nur wenige Täter können von uns gefasst und rechtskräftig verurteilt werden. Diese Zahlen sind öffentlich bekannt, und Politiker aller Parteien fordern jetzt strengere Gesetze und eine großzügigere finanzielle Ausstattung der Polizei, um diesem gewaltigen Anstieg der Verbrechensrate Einhalt zu gebieten.
Es wäre unvertretbar, in solch einer Zeit die Untersuchung eines Einbruchs anzuordnen, der vor drei Jahren
möglicherweise
stattfand und dessen angebliches Opfer nicht mehr am Leben ist und nicht mehr befragt werden kann. Die Chancen auf einen erfolgreichen Untersuchungsabschluss wären gleich null, zumal nicht einmal eine Bestandsaufnahme der im Haus befindlichen Gegenstände existiert. Auch wenn es nicht das ist, was Sie hören wollen, so hoffe ich doch, dass Sie die Gründe für diese Entscheidung verstehen. Es wäre etwas anderes, wenn es zu Miss Butts' Tod noch ungeklärte Fragen gäbe, aber die gerichtliche Untersuchung der Todesursache ist klar und eindeutig.
Abschließend möchte ich Ihnen versichern, dass die Polizei in Richmond ihre Verantwortung allen Mitbürgern gegenüber sehr ernst nimmt, unabhängig von Rasse, Hautfarbe, Konfession oder körperlicher Befindlichkeit.
Hochachtungsvoll
Superintendent A.P. Hathaway
4
»In einem Ihrer Briefe an den Mann vom Tierschutz erwähnen Sie ein Abschiedsgeschenk, das Sie von Annie bekommen haben«, sagte ich zu Sheila Arnold, als sie am folgenden Sonntag mit ihrem Mann zum Mittagessen bei uns war. »Was hat sie Ihnen geschenkt?«
Sheila streckte einen Arm aus. »Ein Jadearmband«, sagte sie und drehte einen blassgrünen Reif an ihrem Handgelenk. »Sie hatte ein ganzes Sortiment dieser Reifen auf ihrem Kaminsims liegen und suchte mir den hier aus, weil sie meinte, er passe zu meinem Haar. Ich hatte damals rote Haare.«
»Ich weiß«, sagte ich.
Larry, ihr Mann, ein großer, sympathischer Amerikaner, bemerkte: »Es ist Jadeit, das ist die kostbarste Jadeart. Wir haben den Armreif dreiundachtzig schätzen lassen, weil Sheila der Polizei beweisen wollte, dass sie nicht einfach ins Blaue hinein redete, wenn sie von den Gegenständen in Annies Haus sprach.« Er umfasste den Reif mit Daumen und Mittelfinger. »Er stammt aus Mexiko – wahrscheinlich achtzehntes Jahrhundert –, und er ist mehr als zweihundert Pfund wert. Sheila meint, sie hätte mindestens zehn davon im Haus gehabt. Das kann man doch immerhin als Hinweis darauf nehmen, dass Annie keine arme Frau war.«
Sam pfiff leise durch die Zähne. »Kein Wunder, dass Sie die Polizei gebeten haben, weiter zu
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