Schlangenlinien
ihrerseits gegenüber Frederick Potts, 87, der Anfang dieser Woche, dem Tode nahe, in seiner Wohnung in der Siedlung Channing Towers aufgefunden wurde. Mr. Potts hat es seiner Nachbarin, Mrs. Gwen Roberts, 62, zu verdanken, dass er noch am Leben ist. »Ich habe Fred an die Wand trommeln hören«, sagte sie, »da habe ich die Polizei angerufen.«
Der Zustand von Mr. Potts wurde von der Polizei als »erschreckend« bezeichnet. Er hatte schon seit mehreren Tagen das Bett nicht mehr verlassen können und litt heftige Schmerzen, die durch unbehandelte Geschwüre an Beinen und Rücken verursacht wurden. Er litt außerdem an Flüssigkeitsmangel und Unterernährung. Dr. Arnold wurde von der Polizei vernommen, nachdem Nachbarn behauptet hatten, sie habe sich geweigert, eine Pflegeperson für Mr. Potts zu bestellen, weil dieser »früheres Pflegepersonal beleidigt und beschimpft« habe. Dr. Arnold bestreitet die Richtigkeit dieser Behauptungen.
Parallelen zum Fall der Ann Butts drängen sich auf, einer zweiundvierzigjährigen geistig behinderten Alkoholikerin, deren Alkoholabhängigkeit unbehandelt blieb. Auch sie war Patientin von Dr. Arnold. Nach Miss Butts' Tod im November 1978 bezeichnete der Coroner die Verhältnisse, unter denen sie gelebt hatte, als »schandbar«. »Es ist die Pflicht eines jeden Arztes bzw. Sozialarbeiters, diejenigen Mitglieder unserer Gesellschaft, die am stärksten gefährdet sind, angemessen zu betreuen«, sagte er. Dr. Arnold bestreitet jegliche Mitschuld. Sie habe sich, sagte sie, in den Vereinigten Staaten aufgehalten, als Miss Butts in volltrunkenem Zustand von einem Lastwagen angefahren wurde und ihren schweren Kopfverletzungen erlag.
Wie von Reverend Peter Stanhope, 45, Pfarrer an der Markuskirche, zu hören war, wird Mr. Potts in einem Pflegeheim untergebracht werden, sobald er so weit genesen ist, dass er das Krankenhaus verlassen kann. »Für derartige Nachlässigkeit gibt es keine Entschuldigung«, sagte Pfarrer Stanhope. »Man sollte doch meinen, die Leute hätten etwas aus dem Tod von Ann Butts gelernt, damit sich solche Fehler nicht wiederholen.’
Southampton, 12. Februar 1983
Dies nur als Nachtrag zur unendlichen Geschichte von dem Pfarrer und der Ärztin. Die zweite Runde geht, denke ich, an die Frau Doktor, auch wenn die Meldung so winzig ist, dass wahrscheinlich kein Mensch sie lesen wird.
Alles Liebe,
Libby
* * *
Aus der Richmond & Twickenham Times vom Freitag, 28. Januar 1983
Ärztin vom Verdacht der Pflichtverletzung freigesprochen
D r. Sheila Arnold, 42, von der Praxisgemeinschaft Cromwell Street in Richmond, wurde gestern nach einer kurzen Anhörung vor der Britischen Ärztekammer vom Verdacht der Pflichtverletzung freigesprochen. Aus schriftlichen Unterlagen, die zum Beweis vorgelegt wurden, ging klar hervor, dass Mr. Potts, 87, zurzeit des fraglichen Vorfalls bei einer anderen Praxis registriert und seit Mai 1980 nicht mehr Patient von Dr. Arnold gewesen war.
5
Die Stimmung trübte sich schlagartig, als Sheila ihrem Mann erzählte, dass ich vorhatte, Peter Stanhope aufzusuchen, um zu erfahren, ob er etwas über den Verbleib von Annies Hab und Gut wusste. Es schien sie beide nicht im Entferntesten zu interessieren, dass er nie in Annies Haus gewesen war und unmöglich wissen konnte, woraus ihr Besitz überhaupt bestanden hatte. Die Erwähnung seines Namens war Dämpfer genug.
Larry gefiel mein Plan gar nicht, und er beobachtete mich misstrauisch über sein Weinglas hinweg, während Sam besorgte Blicke zwischen uns dreien hin und her schickte und sich offensichtlich fragte, wer zum Teufel Peter Stanhope war und warum sein Name bei Larry so schlecht ankam. Um seine Ahnungslosigkeit zu vertuschen, wurde er ziemlich laut – er hasst es, sich im Hintertreffen zu fühlen –, und ich freute mich auf wenig liebevolle Art über seine Verlegenheit. Er war schließlich selbst schuld an seiner Unwissenheit, denn er hatte das Thema ja tabuisiert.
Am Abend versuchte ich eine halbe Stunde lang, Peter Stanhope über die Telefonauskunft ausfindig zu machen, aber in Richmond war niemand dieses Namens eingetragen, und man weigerte sich, in anderen Gegenden Englands nach einem Reverend Peter Stanhope zu suchen. Es gab auch keinen Eintrag für die Markuskirche, und da ich den Namen des derzeitigen Pfarrers nicht wusste, konnte ich seine Privatnummer ebenso wenig erfahren. Es wäre alles wesentlich einfacher gewesen, wenn Sam nicht ständig neben mir gestanden hätte, während ich
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