Schlangenlinien
um sicherzustellen, dass seine Bedürfnisse an erster Stelle kamen. Grüße von Sam?
»Könnten Sie eine neue Liste machen?«
»Ich kann es versuchen. Aber so detailliert wie die erste wird sie sicher nicht werden. Was erwarten Sie denn zu finden?«
»Nichts von Wert«, antwortete ich. »Kleinigkeiten, die vielleicht jemand behalten hat.«
»Wie die Pfauenfedern?«
Ich nickte.
»Als Beweis könnten sie nie verwendet werden.«
»Ich weiß, aber...« Ich zögerte, aus Angst, mich lächerlich zu machen. »Es ist wahrscheinlich unsinnig, aber ich dachte, wenn Sie die Pfauenfedern, die Scherenschnitte von Annies Großeltern und – na ja, eben andere Kleinigkeiten ohne besonderen Wert auf die Liste setzen – eine kleine Holzfigur zum Beispiel...« Mir gingen die Ideen aus. »Ich dachte, wenn ich ein paar dieser Gegenstände in irgendjemandes Haus entdeckte, dann hätte ich wenigstens das Gefühl, auf der richtigen Spur zu sein.«
Sie warf mir einen verblüfften Blick zu. »Ja, wollen Sie denn danach suchen?«
Ich zuckte verlegen die Achseln.
»Aber wo, um Himmels willen, wollen Sie da überhaupt anfangen?«
»In der Graham Road. Es muss doch noch jemand da sein, der schon 1978 da gewohnt hat. Ich könnte immerhin an ein paar Türen klopfen. Vielleicht finde ich ja etwas.« Ich sagte das nur so daher, um ihr eine Antwort zu geben; tatsächlich hatte ich keinerlei Absicht, so ins Blaue hinein mein Glück zu versuchen. Ich sah die Skepsis in ihrem Gesicht.
»Aber wozu? Sie machen sich da ganz umsonst einen Haufen Arbeit. Larry hatte Recht, als er sagte, dass es nie zu einer Strafverfolgung kommen würde.«
»Mir geht es nicht um eine Strafverfolgung wegen Diebstahls, Sheila. Mir geht es um Mord. Wie der Chief Superintendent in seinem Brief an Sie schrieb, wäre es etwas anderes, wenn es an der Ursache von Annies Tod irgendwelche Zweifel gäbe.« Ich lächelte. »Es gibt Zweifel – und ich werde das beweisen.«
Sie sah mir einen Moment lang mit scharfem Blick in die Augen. »Was ist an dem Abend wirklich zwischen Ihnen und Annie abgelaufen?«, fragte sie abrupt. »Drury hat mir das Protokoll Ihrer Aussage gezeigt. Aber Sie sagten, sie hätte kein Wort mit Ihnen gesprochen.«
»Das stimmt auch.«
»Aber warum dann?«
»Ich habe im Moment nichts Besseres zu tun.«
Das war keine besonders gute Erklärung, aber sie schien damit zufrieden. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass noch viele von ihren alten Nachbarn da sind«, meinte sie. »Die meisten waren schon weggezogen, als wir damals gingen.«
»Was ist mit dem Pfarrer?«, fragte ich. »Er hat doch die Leute in der Graham Road regelmäßig besucht.«
Sie zog die Krempe ihres Huts ein wenig tiefer, um ihre Augen vor der Sonne zu schützen. »Ich glaube, er ist gar nicht mehr dort.«
»Aber sein Nachfolger müsste mir doch sagen können, wo er jetzt ist. Wissen Sie, wie er heißt?«
»Der neue Pfarrer? Nein.«
»Und der frühere? Der, der Annie kannte?«
Sie antwortete nicht gleich, und ich drehte den Kopf, um sie anzusehen. Der Ausdruck ihrer Augen war im Schatten des Huts nicht zu erkennen, aber sie hatte einen ziemlich grimmigen Zug um den Mund. »Peter Stanhope«, sagte sie.
* * *
Schreiben von Libby Williams – früher Graham Road 21 – aus den Jahren 1982 und 1983
Southampton, 3. Oktober 1982
Liebe M,
vielleicht interessiert dich das Beiliegende. Ich war zu Besuch bei alten Freunden in Richmond, und da fiel mir die
Richmond & Twickenham Times
in die Hände. Gemeinheit gibt's anscheinend überall, und die Ärzteschaft wird der Geistlichkeit nach den ehrabschneiderischen Behauptungen des Herrn Pfarrer wohl die Freundschaft aufkündigen. Ich erinnere mich von Annies Begräbnis her an ihn so ein dicker kleiner Kerl mit Schweißhänden , aber die Ärztin habe ich, glaube ich, nie kennen gelernt. Jock und ich hatten einen Arzt mit einem höchst imposanten Schnauzbart.
Hier läuft alles gut. Noch ein Jahr, dann bin ich mit meiner Ausbildung fertig, und nach zahlreichen Versuchen – eine Frau, die etwas auf sich hält, muss ja aufpassen, dass sie nicht zweimal den gleichen Fehler macht! – habe ich mir endlich einen echten Traummann geangelt. Einen Goldjungen namens Jim Garth. Fortsetzung folgt!
Alles Liebe,
Libby
Aus der Richmond & Twickenham Timesvom Freitag, 18. Juni 1982
Ärztin bestreitet Pflichtverletzung
D r. Sheila Arnold, 41, Ärztin in der Praxisgemeinschaft in der Cromwell Street, Richmond, bestreitet jede Pflichtverletzung
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