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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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telefonierte – dann hätte ich nämlich herauszubekommen versucht, ob es in Exeter einen Peter Stanhope gab. Aber ich wollte mir nicht in die Karten schauen lassen. Am Ende schlug ich Sam halb im Scherz vor, er solle Jock Williams anrufen, ausgerechnet diesen eingefleischten Atheisten, und ihn bitten, ans andere Ende von Richmond zur Markuskirche zu fahren und nachzusehen, ob der Name des neuen Pfarrers draußen an der Tafel stand. Zu meiner Überraschung war er damit einverstanden.
    »Er möchte gern wissen, was läuft«, sagte er, als er wieder in die Küche kam, wo ich beim Geschirrspülen war.
    »Was hast du gesagt?«
    »Dass die Chefin mich zur Minna macht, wenn ich ihr nicht helfe, die verschwundenen Schätze der verrückten Annie aufzuspüren.« Er grinste schief. »Er fand schon vor zwanzig Jahren, du wärst übergeschnappt. Jetzt glaubt er, es hätte uns beide erwischt. Er wollte wissen, wie man auf die Idee kommen könne, eine alte Pennerin wie Annie hätte irgendwas von Wert besessen.«
    Ich stellte einen Teller auf die Ablage. »Und was hast du gesagt?«
    »Ich hab nur das wiederholt, was Larry uns über den Jadeit-Schmuck erzählt hat. Das hat ihn dann doch ein bisschen erschüttert – er sagte, er hätte immer geglaubt, Annie wäre arm wie eine Kirchenmaus.«
    »Wahrscheinlich wäre er freundlicher zu ihr gewesen, wenn er es gewusst hätte«, sagte ich bissig. »Wenn Jock Geld klimpern hört, macht er doch sofort Männchen.«
    »Hm, na ja, er rät mir jetzt, meine gewaltigen Gewinne aus Hongkong in einen Offshore-Fonds zu stecken, den er von der Insel Man aus managt. Er hat einen prima Dreh gefunden, wie man um die Steuern herumkommt, und ist bereit, mich an der Sache zu beteiligen, wenn ich interessiert bin.«
    »So wie ich Jock kenne, ist es was Illegales.«
    »Was Unmoralisches ganz bestimmt«, sagte Sam vergnügt. »Aber er hält ja auch nichts vom Wohlfahrtsstaat. Verstößt gegen Darwins Evolutionstheorie, sagt er. Kranke, Lahme und Arme müssen weg. Das ist natürliche Auswahl.«
    »Er wird eines Tages schon noch kräftig eins auf den Deckel bekommen«, sagte ich, während ich eine Gabel zur Inspektion hochhielt. »Genau wie alle anderen arroganten, eigennützigen Schweine. Das ist nämlich das
ungeschriebene
Gesetz der natürlichen Auswahl – Konjunkturritter brechen sich früher oder später das Genick.« Ich sah ihn argwöhnisch an. »Ich hoffe, du hast ihm gesagt, wohin er sich seinen Steuertrick stecken kann.«
    »Das habe ich unterlassen, schlau wie ich bin«, sagte Sam. »Er war nämlich nur bereit, an einem Sonntagabend zur Markuskirche rüberzufahren, weil er meint, er könnte ein Riesengeschäft mit mir machen.« Er setzte sich rittlings auf einen Stuhl. »Wieso kennt ihr beide euch eigentlich so gut? Soweit ich mich erinnere, bist du ihm doch immer nur aus dem Weg gegangen.«
    Die Frage kam unerwartet. »Was meinst du mit ‘kennen’?«
    »Keine Ahnung. Deshalb frag ich ja.«
    Ich bemühte mich, ein Lächeln zu verbergen, allerdings ohne Erfolg. »Sprichst du im biblischen Sinn?«
    »Vielleicht.«
    Ich lachte schallend. »Das ist nun wirklich komisch.«
    »Wieso?«
    »Weil er ein langweiliger kleiner Furz mit einem Machtkomplex ist«, antwortete ich. »Nicht mal seine Frau hat ihn gemocht. Wie kannst du da auf den Gedanken kommen, er könnte mir gefallen?«
    »Es war ja nur eine Frage«, sagte er eingeschnappt.
    »Und was hat dich drauf gebracht?«
    »Er war überhaupt nicht erstaunt, als ich sagte, dass du die Sache mit Annie wieder aufrollen willst. Er meinte, das hätte er schon erwartet.«
    »Und?«, fragte ich neugierig.
    »Er scheint dich besser zu kennen als ich. Ich dachte nämlich, du hättest Annie längst vergessen. Du hast ihren Namen seit zwanzig Jahren nicht mehr erwähnt.«
    »Weil du mich darum gebeten hattest.«
    »Wirklich?« Er runzelte verwundert die Stirn. »Daran kann ich mich nicht erinnern.«
    Ich war nicht sicher, wie echt dieses Stirnrunzeln war, deshalb wechselte ich das Thema. »Du solltest nicht alles glauben, was Jock dir erzählt«, sagte ich. »Er will dich doch nur reizen. Genau wie mit seinen Geschichten vom großen Geld. Es macht ihm Spaß, zu sehen, wie du dich windest.«
    »Warum?«
    Ich schüttelte den Kopf über seine Naivität. Der Fehler meines Mannes war, dachte ich manchmal, dass er allzu bereit war, andere unbesehen als das zu nehmen, was sie zu sein vorgaben. Eigentlich hätte ihm das beruflich schaden müssen, aber merkwürdigerweise

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