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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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schweres körperliches Trauma hinweist, das sie mehrere Stunden vor ihrem Tod erlitt.«
    »Und was heißt das konkret?«
    »Annie wurde ermordet.«
    Hinter dem Tresen brach Drury plötzlich in Wut aus, und ich fragte mich, was der Mann eigentlich glaubte, warum ich hergekommen war. Um unsere alte Freundschaft aufzufrischen etwa?
    »Das ist ja zum Kotzen«, schimpfte er. »Geben Sie denn nie auf? Immer dieselbe alte Leier! Haben Sie nichts Besseres zu tun, als eine versoffene Schwarze zur Märtyrerin hochzujubeln?« Er nahm das oberste Foto zur Hand und drehte es, um auf der Rückseite nach einem amtlichen Stempel zu suchen. »Woher haben Sie die überhaupt?«
    »Constable Quentin hat sie mir geschickt.«
    »Andrew?« Ich nickte. »Der ist seit sieben Jahren tot«, sagte er wegwerfend. »Den hat's bei einem Zusammenstoß erwischt, als er einen rasenden Autoknacker verfolgte.«
    »Ich weiß. Er hat mir die Bilder kurz nach unserem Umzug ins Ausland geschickt. Ich habe ihm damals geschrieben und um Abzüge gebeten, weil ich wusste, dass er mit dem Spruch des Coroner nicht einverstanden war.«
    Drury schnaubte gereizt. »Was hat der denn schon gewusst? Der Junge war ja noch feucht hinter den Ohren. Nur weil er an irgendeiner windigen kleinen Uni Soziologie studiert hat, meinte er, er wüsste es besser als ein amtlicher Pathologe und ein Polizeibeamter mit zehn Jahren Streife auf dem Buckel.«
    »Aber er hatte Recht«, sagte ich. »Ein Bluterguss dieser Art –« ich berührte eines der Fotos –»braucht Zeit, um sich zu entwickeln. Er legt außerdem nahe, dass der Arm nicht nur einen einzigen Schlag empfing, sondern von mehreren Schlägen an verschiedenen Stellen getroffen wurde und die entstandenen Einzelhämatome sich ausbreiteten und die Haut von der Schulter bis zum Handgelenk unterliefen.«
    »Eine Fotografie beweist gar nichts. Sie war dunkelhäutig. Da kann man überhaupt nicht erkennen, was ein Bluterguss ist und was nicht.«
    »Das sind Farbfotos«, widersprach ich ruhig. »Wenn man also nicht gerade blind ist, kann man die Blutergüsse deutlich erkennen.«
    Er schüttelte wütend den Kopf. »Na und? Was ändert das schon? Der Coroner hat in seinem Spruch den Befund des Mannes übernommen, der die Leiche obduziert hat, und der sagte, dass ihre Verletzungen durch einen seitlichen Zusammenprall mit einem Lastwagen verursacht wurden.«
    »Aber nicht eine Viertel- oder halbe Stunde bevor ich sie fand. Zwei oder drei Stunden vorher
vielleicht
. Und das heißt, dass die Leute, die ihrer Aussage nach Annie auf der Straße herumtorkeln sahen, wahrscheinlich eine schwer Verletzte vor sich hatten.«
    Unwillkürlich schweifte sein Blick wieder zu den Bildern; er schien abgestoßen und fasziniert zugleich von ihnen. »Selbst wenn das stimmen sollte, können Sie es den Leuten nicht zum Vorwurf machen, dass sie sie für betrunken hielten.«
    »Das tue ich auch nicht.«
    »Was soll das Ganze dann?«
    Mein Mund war schon wieder wie ausgedörrt, und ich leckte mir die Lippen, ehe ich antwortete. »Ich werde den Fall wieder aufrollen lassen«, sagte ich. »Ich werde dafür sorgen, dass eine Untersuchung über Ihre damaligen Ermittlungsmethoden eingeleitet wird. Ich möchte nämlich wissen, wieso ein blutiger Anfänger im Polizeidienst, der nicht mehr vorweisen konnte als ein Soziologiestudium an irgendeiner windigen Universität, auf Anhieb sehen konnte, dass da was nicht stimmte – während
Ihnen
überhaupt nichts auffiel. Und ich möchte wissen, warum Sie ihn von dem Fall abziehen ließen, als er mit Ihnen über seinen Verdacht sprechen wollte.«
    Er zerriss die Fotografien und schleuderte die Fetzen über den Tresen in die Luft. »Problem erledigt«, sagte er, als mir die Schnipsel zu Füße flatterten. »Und wenn das alles ist, was Sie vorzuweisen haben, dann haben Sie zwanzig Jahre Zeit verschwendet.«
    Danny bückte sich, um die Papierfetzen einzusammeln. »Lassen Sie sich von ihm nicht einschüchtern«, sagte er, als er sie mir reichte. »Er ist immer schon ein brutaler Kerl gewesen. Anders als brutal kann er mit Menschen gar nicht umgehen. Der will doch nur das Thema wechseln, damit er nicht erklären muss, warum er wegen der Schwarzen, dieser armen Sau, keinen Finger gerührt hat.«
    Drury maß ihn mit verächtlichem Blick. »Was weißt denn du schon davon, du kleiner Klugscheißer? Du warst damals noch in den Windeln.« Er wies mit einer kurzen Kopfbewegung auf mich. »Und wenn du auf die setzt, dann setzt du aufs

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