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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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unsicher an der Tür stand. »Sie haben gelogen«, sagte ich ruhig.
    »Ja, das haben Sie damals schon behauptet.«
    »Weil es stimmt.«
    »Weshalb hätten sie lügen sollen? Gerade der Mann, mit dem Sie verheiratet waren, hätte doch Ihre Aussage bestätigen müssen.«
    Der Meinung war ich auch einmal gewesen, aber nur, weil ich geglaubt hatte, die Wahrheit wäre einfach. »Er wollte seinen Freund decken«, sagte ich. »Die beiden Leute, die ich an dem Abend unter der Straßenlaterne sah, waren Jock Williams und Sharon Percy. Ich nehme an, Jock hatte Angst, ich hätte ihn erkannt, und wollte unter allen Umständen verhindern, dass seine Frau davon erfuhr, dass er mit einer Prostituierten unterwegs gewesen war. Deshalb dachten er und Sam sich diese Geschichte aus, dass sie bei uns zu Hause gesessen und ein Bier getrunken hätten.«
    Drury sah wieder zur Tür, aber Sam war verschwunden. »Warum haben Sie mir das nicht schon vor zwanzig Jahren gesagt?«
    »Habe ich doch! Ich sagte Ihnen, dass ich vermutete, der Mann draußen auf der Straße sei Jock Williams gewesen.«
    »Aber genau das ist doch der springende Punkt«, versetzte er sarkastisch. »Sie
vermuteten
, er sei es gewesen – und Sie sagten keinen Ton davon, dass er mit Sharon Percy zusammen war.«
    »Damals wusste ich nicht, wer sie war.«
    Er schüttelte wegwerfend den Kopf. »Sharon Percy hatte ein Alibi, und Mr. Williams war aus dem Rennen, als Ihr Mann sich für ihn verbürgte.«
    »Aber Sie haben seine Aussage nie auch nur in Frage gestellt«, sagte ich. »Sie haben meinem Mann unbesehen geglaubt und meine Aussage einfach verworfen. Warum? Gilt bei Ihnen das Wort einer Frau weniger als das eines Mannes?«
    Er stemmte beide Hände auf den Tresen und schob sein Gesicht dicht an das meine heran. »Sie waren nicht bei Verstand, Mrs. Ranelagh. Man konnte Ihnen kein Wort glauben. Darin waren sich alle einig – sogar Ihr Mann und Ihre Mutter. Und die beiden mussten es ja wohl wissen, sie mussten schließlich mit Ihnen leben.«
    Hätte ich in diesem Moment eine Schusswaffe zur Hand gehabt, ich hätte ihn niedergeschossen. Peng! Genau zwischen die Augen! Wie konnte er es wagen, mir meine nächsten Angehörigen vorzuhalten, wo er doch ihr Misstrauen verursacht hatte? Aber der Hass ist ein kontraproduktives Gefühl, er schadet dem Hasser mehr als dem Gehassten. Ja, er wäre tot gewesen – aber ich auch – für alles, was mir wichtig war. Vielleicht verriet mein Gesicht mehr, als mir bewusst war, denn er richtete sich plötzlich auf und straffte die Schultern.
    »Als mein Mann und Jock Williams sich ihre Geschichte ausdachten, orientierten sie sich einfach an dem, was Sie gleich am nächsten Morgen Mrs. Williams berichtet hatten«, sagte ich ruhig. »Sie haben damals doch Libby Williams und jedem, der es hören wollte, erzählt, man hätte Annie eine Stunde vor ihrem Tod auf der Straße herumtorkeln sehen; und Sie vergaßen auch nicht zu erwähnen, zu welchem Zeitpunkt sie in den Lastwagen hineingerannt sein musste. Mein Mann und Jock Williams brauchten diese Informationen nur ein bisschen aufzubereiten, um Ihnen das zu präsentieren, was Sie haben wollten – eine geistig minderbemittelte Schwarze, die von Viertel vor acht Uhr an volltrunken in der Graham Road herumstolperte. Dass nichts davon der Wahrheit entsprach, war Ihnen dabei völlig egal.«
    »Und weshalb hätten Ihr Mann und Mr. Williams sich so verhalten sollen?«
    Ich zuckte die Achseln. »Ein Unfall war für alle Beteiligten die einfachste Erklärung. Auch für die Polizei. Da konnte man die Rassismusfrage bequem unter den Tisch fallen lassen.«
    Allem Anschein nach wirklich perplex, starrte er mich einen Moment mit zusammengezogenen Brauen an. »Wann hat Ihr Mann Ihnen das alles gesagt?«
    »Sechs Monate, nachdem wir aus England weggegangen waren.«
    Es geschah in Hongkong nach der peinlichen Szene mit dem Polizeibeamten, an dem ich auf der Party meine ganze Wut über seine Kollegen in Richmond ausgelassen hatte. Sam kippte einen Whisky nach dem anderen, während er im Zimmer hin und her rannte und mir endlose Vorwürfe über mein Benehmen machte. Die meisten – was für Auswirkungen meine »Wahnvorstellungen« auf seine berufliche Karriere und unsere gesellschaftlichen Beziehungen hätten – rauschten an mir vorbei. Aber einiges von dem, was er mir vorhielt, erreichte mich klar und deutlich – besonders als er gegen drei Uhr morgens begann, sich in Selbstmitleid zu suhlen. Er habe entsetzliches

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