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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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gestriges Gespräch übersende ich Ihnen die Kopie eines Schreibens, das ich 1985 von einem Kollegen Dr. Benjamin Hanleys erhielt, des Pathologen, der Ann Butts obduzierte. In Anbetracht Ihres vorbehaltlosen Vertrauens in Dr. Hanleys Befund könnte ich mir vorstellen, dass Sie die Lektüre interessant finden werden. Der Kollege hieß Anthony Deverill; er arbeitete von 1979 bis zu Hanleys Pensionierung im Jahr 1982 mit Hanley zusammen.
    Hochachtungsvoll
    M. Ranelagh
    P.S. Im Anschluss an die unter 3) erwähnten Ermittlungen wurden beide Fälle an das Berufungsgericht zurückgegeben und die Verurteilungen zweier unschuldiger Menschen wegen Mordes aufgehoben. Das von Dr. Harley vorgelegte Beweismaterial wurde als »nicht zuverlässig« beurteilt, und man entschied infolgedessen, dass der Tod der beiden mutmaßlichen »Opfer« unter natürlichen Umständen eingetreten sei.
    PPS: Ich besitze weitere Abzüge der Obduktionsfotos.

    * * *

    Dr. Anthony Deverill, Pathologe
25 Avenue Road
Chiswick
London W 4
    Mrs. M. Ranelagh
P. O. Box 103
Langley
Sydney
Australien
    6. Februar 1985
    Sehr geehrte Mrs. Ranelagh,

besten Dank für Ihr Schreiben vom 10. Januar sowie die beigelegten Obduktionsaufnahmen von Miss Ann Butts und den Bericht von Professor James Weber. Sie haben Recht, ich hatte mehrmals Gelegenheit zu persönlichen Gesprächen mit Professor Weber und schätze sein Urteil sehr. Nach eingehender Prüfung der Bilder sehe ich keinen Grund, seinem detaillierten Befund, dass Miss Butts die Verletzungen im Gesicht und am Arm einige Stunden vor ihrem Tod empfing, zu widersprechen.
    Ausdrücklich baten Sie um Auskünfte über Dr. Benjamin Hanley, der im November 1978 die Obduktion an Miss Butts' Leichnam vornahm. Sie schreiben, weder Ihnen noch Ihrem Vater sei es trotz wiederholter Versuche im Lauf der Jahre gelungen, mit ihm Kontakt aufzunehmen; sie hätten lediglich über ein Telefongespräch, das Ihr Vater 1982 mit der Sekretärin Dr. Hanleys führte, erfahren, dass die Akte mit den Obduktionsunterlagen über Miss Butts »verschwunden« sei. Leider hat eine Suche im Archiv dies bestätigt. Der einzige Hinweis darauf, dass Dr. Hanley Miss Butts obduzierte, ist ein Eintrag neben seinem Namen im Dienstplan vom 15.11.78 –»10 Uhr 30 Butts. Befund an Sergeant Drury, Richmond«.
    Es wird Sie vielleicht interessieren zu hören, dass die Akte Butts nicht die einzige ist, die wir trotz gründlicher Suche nicht finden konnten. Zu den 103 Einträgen unter Dr. Hanleys Namen in den Dienstplänen von 1978, 1979 und 1980 sind nur 94 Akten vorhanden. Mit anderen Worten, neun sind derzeit »verschwunden«.«
    Nun zu Ihren Einzelfragen:
Wie Sie bereits wissen, wurde Dr. Hanley 1982 aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in den Ruhestand versetzt und starb anderthalb Jahre später an Leberversagen. Tatsächlich jedoch wurde er auf Grund des ständigen Nachlassens seiner Arbeitsleistung pensioniert und nicht auf Grund einer diagnostizierten Erkrankung; er hatte es stets abgelehnt, einen Arzt aufzusuchen. So etwas ist bei Pathologen, die täglich mit dem Tod zu tun haben und ihre eigenen Prognosen stellen können, nichts Ungewöhnliches. Dr. Hanley war Alkoholiker und immer weniger in der Lage, seine dienstlichen Aufgaben zu erfüllen. Die Pensionierung aus »gesundheitlichen Gründen« gestand man ihm zu, um ihn in den Genuss seiner Pension kommen zu lassen; tatsächlich aber wurde die Zirrhose, an der er starb, erst kurz vor seinem Tod entdeckt, als er ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Diese Tatsachen sind amtsbekannt, und ich mache mich keines Vertrauensbruchs schuldig, indem ich sie Ihnen mitteile.
Ich habe zweieinhalb Jahre – von September 1979 bis März 1982, als er in den Ruhestand ging – mit Dr. Hanley zusammengearbeitet, und ich bedaure, sagen zu müssen, dass ich von Anfang an ernste Zweifel an seiner sachlichen Kompetenz hatte. Ich kann selbstverständlich keinen Kommentar zu einer Obduktion angeben, die a) stattfand, bevor ich zum Team stieß, und über die b) keinerlei Unterlagen zur Hand sind, aber meiner Meinung nach – und ich habe das gründlich überlegt –, war im November 1978 Dr. Hanleys Urteilsvermögen zweifellos bereits von seiner Alkoholabhängigkeit beeinträchtigt.
Über Dr. Hanleys Beziehung zu Sergeant Drury von der Polizeidienststelle Richmond kann ich keinerlei Aussagen machen. Auch für Ihre Vermutung, dass Dr. Hanley möglicherweise nach Anweisungen von Sergeant Drury gehandelt und einen Befund

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