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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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vorgelegt hat, der der Polizei Richmond genehm war, habe ich keine Beweise. Ich habe jedoch mehrmals meiner Sorge darüber Ausdruck gegeben, dass Dr. Hanley die Unabhängigkeit seiner Abteilung gefährdete, indem er Obduktionsbefunde schrieb, die sich wie eine Wiedergabe der jeweiligen Polizeiberichte lasen.
Zwei dieser Vorfälle werden derzeit amtlich untersucht.
Zu Dr. Hanleys Verteidigung möchte ich sagen, dass sein Handeln meiner Ansicht nach nicht von böser Absicht geleitet war, sondern lediglich von der Erkenntnis, dass er den Anforderungen seiner Stellung nicht mehr gewachsen war. Vielleicht ist daraus bei ihm auch die Bereitschaft entstanden, sich übermäßig auf den »Riecher« gewisser Polizeibeamter zu verlassen. Ich muss hinzufügen, dass dies in der Mehrzahl der Fälle kein Anlass zur Sorge wäre – die meisten Toten, die wir untersuchen, sind eines natürlichen Todes gestorben –, aber es könnte natürlich zu Problemen führen, wenn Fakten unterschlagen oder verdreht werden.
Ich kann mit absoluter Sicherheit sagen, dass Dr. Hanley eventuell vorhandene Indizien dafür, dass Miss Butts ermordet wurde, nicht aus rassistischen Motiven unterschlagen hätte. Ich bin selbst Schwarzer und habe von seiner Seite niemals irgendein Vorurteil gespürt. Er war ein gutmütiger Mensch, den Politik nicht interessierte und der seine Arbeit offensichtlich zunehmend bedrückend fand, besonders wenn er gezwungen war, die Brusthöhlen von Frauen und Kindern zu öffnen, was er als »völlig überflüssige Verstümmelung« sah.
Da, wie bereits festgestellt, keinerlei Unterlagen zum Fall Butts vorhanden sind, kann ich Ihnen leider kaum behilflich sein. Ich stimme jedoch mit Professor Webbers Interpretation der Fotografien voll überein. Wie oben erwähnt, scheinen neun Akten verschwunden zu sein, und es gibt gewisse Hinweise darauf, dass Dr. Hanley selbst sie vernichtete, bevor er aus dem Dienst ausschied. Die Vermutung liegt nahe, dass er in den letzten drei Monaten vor seiner Pensionierung alle Akten entfernte, die seiner Meinung nach fragwürdige Befunde enthielten. Doch es gibt keinerlei Beweise dafür, und solche Spekulationen besäßen vor einem Gericht keine Geltung.
    Gern gestatte ich Ihnen, dieses Schreiben als Nachweis dafür zu verwenden, dass Dr. Hanleys Arbeitsleistung in den Jahren, als ich mit ihm zusammengearbeitet habe, drastisch nachließ, was im Übrigen schon damals allgemein bekannt war. Darüber hinaus kann ich Ihnen nur raten, möglichst umfassendes Beweismaterial aus allen zur Verfügung stehenden Quellen zu sammeln, um mit zwingenden Gründen für eine Wiederaufnahme des Falls Butts plädieren zu können.
    In der Hoffnung, dass dieses Schreiben Ihnen eine Hilfe sein wird, verbleibe ich
hochachtungsvoll
Dr. Anthony Deverill

14
    Ich reiste am folgenden Montag allein nach London. Es gab Krach deswegen, weil ich mich weigerte, Sam zu sagen, zu wem ich wollte und was ich vorhatte, und nachdem er mich früh um acht am Bahnhof in Dorchester abgesetzt hatte, brauste er wütend und eingeschnappt davon. Seit Dannys Bemerkung über die Ratten, die das sinkende Schiff verlassen, war er ziemlich geknickt ... »So war das doch überhaupt nicht. Ich brauchte einfach Zeit, um erst mal wieder einen klaren Kopf zu kriegen. Jock saß mir ständig im Nacken und bedrängte mich, ich solle dich zwingen, diese verdammten Beruhigungsmittel zu nehmen... er behauptete, du brauchtest dringend Hilfe... er sagte, du wärst total von der Rolle... er sagte... er sagte...« Und daran änderte auch meine säuerliche Bemerkung nichts, er solle sich doch an Jock wenden und nicht an mich, da Jock ja offensichtlich der große Guru für ihn sei.
    Ich weiß nicht, ob er meinen Rat beherzigt hatte, als ich Montagmorgen losfuhr. Ich hielt es für unwahrscheinlich. Sam war nicht der Typ, der unnötig schlafende Hunde weckte, schon gar nicht, wenn er fürchten musste, selbst gebissen zu werden.

    Die Graham Road war mir fremd geworden, als ich sie an diesem Augustmorgen wiedersah. Man hatte eine Einbahnstraße mit Aufpflasterungen zur Temporeduzierung aus ihr gemacht. Parken durfte hier nur noch, wer eine Lizenz hatte, und Lastwagen war die Durchfahrt verboten. Die Häuser waren freundlicher, als ich sie in Erinnerung hatte, die Bürgersteige breiter, das Sonnenlicht war heller und dunstiger. Für mich war diese Straße bis dahin nur ein finsterer, unheildrohender Ort gewesen, und ich fragte mich jetzt, was im Lauf der Jahre meine

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