Schlangenlinien
Dinge, die sie mir lieber verheimlichen würde.
»Da sind Sie die Einzige, die so denkt.« Sie ging zur Spüle, um den Kessel mit Wasser zu füllen. »Danny hat seit seinem zehnten Lebensjahr nichts als Ärger gemacht – Prügeleien, Autodiebstahl, mit zwölf hat er angefangen, Heroin zu spritzen.« Sie hielt abwartend inne. Als von mir keine Reaktion kam, fügte sie herausfordernd hinzu: »Die meisten Mütter würden ihre Söhne nicht mit so einem Kerl herumziehen lassen. Er hat mir erzählt, dass er ein paarmal mit Ihren Jungs unterwegs war.«
»Ja. Sie haben sich zwei- oder dreimal auf Portland mit ihm getroffen.«
»Sie wissen, dass er Marihuana raucht?«
»Ja.«
»Wahrscheinlich bietet er es auch Ihren Söhnen an«, fügte sie mit einem Anflug von Boshaftigkeit hinzu.
»Da wäre er nicht der Erste und sicher nicht der Letzte.«
Sie musterte mich argwöhnisch. »Sie nehmen das ziemlich gelassen. Sie haben wohl großes Vertrauen in Ihre Söhne.«
Ich lächelte unverbindlich. »Ich würde mir mehr Sorgen machen, wenn Danny noch Heroin nähme.«
»Das bestimmt nicht.« Sie schaltete den Wassertopf ein. »Das ist das einzig Gute, was dieser Drury mir je angetan hat – er hat den blöden kleinen Scheißer eines Tages dabei erwischt und ihn so in die Mangel genommen, dass er nie wieder eine Nadel anrührt.«
»Wie hat er das denn gemacht?«
»Er hat ihn vor die Wahl gestellt – sofortige Strafe oder Jugendfürsorge. Danny hat sich für die sofortige Strafe entschieden.« Sie lachte. »Ich nehme an, er dachte, Drury würde ihn ein bisschen vermöbeln und basta. Mit hochkarätigem Sadismus hat er bestimmt nicht gerechnet.« Sie lachte wieder, als amüsierte sie das.
»Was hat Drury denn getan?«
»Er hat die Nadel abgebrochen und sie Danny in den Arm gestoßen. Ganz tief. Mit den Handschellen. Dann hat er gesagt, wenn Danny zum Arzt ginge, um die Nadel rausziehen zu lassen, würde der natürlich einen Haufen Fragen stellen, und er – Danny, mein ich – würde im Handumdrehen bei der Fürsorge landen. Es hat zwei Tage gedauert, bis Danny endlich den Mut fand, seinen Arm so weit aufzuschneiden, dass er die Nadel mit einer Pinzette rausholen konnte. Seitdem kann er keine Spritze mehr sehen, ohne dass ihm schlecht wird.«
»Das hört sich doch ganz nach Mr. Drury an«, murmelte ich. »Brutal, aber wirksam. Haben Sie ihn wenigstens angezeigt dafür?«
»Wofür halten Sie mich!« Sie löffelte Pulverkaffee in die Tassen. »Ich war ihm dankbar. Dass eines von meinen Kindern an einer Überdosis krepiert, war das Letzte, was ich mir gewünscht habe.«
Schweigen trat ein, während wir auf das Kochen des Kaffeewassers warteten. Ich hatte keine Ahnung, aus was für einem Milieu sie stammte, aber Drurys letzte Bemerkung zu Danny –»Und was macht deine Mutter, diese runtergekommene Schlampe? Säuft sie noch?«– schien mir der Wahrheit unangenehm nahe zu kommen. Meine Mutter hätte gesagt, es sei die Erziehung (oder der Mangel daran) – ein Wissenschaftler würde die Gene verantwortlich machen –, ich nahm an, es lag an schlechter Erziehung und mangelnder Selbstachtung. Wenn es überhaupt etwas gab, was ihr etwas bedeutete, dann vermutlich ihre Sozialhilfezahlungen und die Frage, ob das Geld reichen würde, um sie für eine Woche mit Zigaretten und Alkohol zu versorgen.
Auf ihrem Fensterbrett reihten sich die leeren Flaschen, Beweis genug, dass sie ihre Alkoholsucht nie besiegt hatte. Eine ungeöffnete Flasche Wodka stand neben Salz und Pfeffer auf dem Tisch wie eine unverdiente Belohnung. Wenn sie an diesem Tag betrunken oder mit Prozac voll gepumpt war, so fiel das nicht auf. Im Gegenteil, die scharfen taxierenden Blicke, die sie mir immer wieder zuwarf, erinnerten mich in ihrer Wachheit an Wendy Stanhope, wenn auch kein Funken Güte in ihnen war, sondern nur Argwohn.«
»Danke«, sagte ich, als sie mir eine Tasse Kaffee hinstellte. Sie hatte Milch und Zucker zugegeben, und obwohl ich beides zum Kaffee nicht ausstehen konnte, täuschte ich Genuss vor, als ich probierte.
Sie setzte sich mir gegenüber und zündete sich eine Zigarette an. »Möchten Sie eine?«, fragte sie.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe zum Glück nie angefangen. Sonst wäre ich heute wahrscheinlich bei sechzig pro Tag.«
»Woher wollen Sie das so genau wissen?«
»Ich bin eine echte Suchtpersönlichkeit. Wenn ich einmal mit etwas anfange, kann ich nicht mehr aufhören.«
»Wie mit dieser Geschichte mit
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