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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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regelmäßig geschickt hatte, um mich über den neuesten Informationsstand in Bezug auf Jock auf dem Laufenden zu halten. »Ist das Haus Ihr Eigentum oder das Ihres Partners? Betrug der Wert des Hauses zum Zeitpunkt des Erwerbs mehr oder weniger als fünfzigtausend Pfund? Beträgt der gegenwärtige Wert mehr oder weniger als hunderttausend – zweihunderttausend und so fort? Ist Ihr Partner selbstständig tätig? Liegt sein Einkommen über oder unter fünfzigtausend im Jahr? Hat er eine Hypothek aufgenommen? Ist sie höher oder niedriger als fünfzigtausend, hunderttausend? Und so weiter und so fort.« Ich lächelte kühl. »Sie ist nie nur mit einem schlichten Ja oder Nein abgespeist worden. Eine deiner Freundinnen hat sogar deine Bankauszüge herausgekramt, um ganz genaue Angaben machen zu können.«
    »So was ist doch verboten!«
    »Zweifellos.«
    »Du lügst«, sagte er heftig, und ich sah ihm an, dass er das selbst nicht glaubte. »Weshalb hätte sie so was tun sollen? Das ist doch blödsinnig.«
    Ich lächelte bedauernd, als wäre ich mit ihm einer Meinung.
    »Und was hat sie rausbekommen?«
    »Dass aus einer Zwanzigtausend-Pfund-Hypothek, die du ursprünglich aufgenommen hast, im Lauf von fünfzehn Jahren eine Belastung von fünfhunderttausend Pfund geworden ist und dass du in dieser Zeit sieben Freundinnen verbraucht hast. Zwei deiner Firmenneugründungen hast du in den Sand gesetzt, und die halbe Million, die du letztes Jahr beim Verkauf der dritten Firma gemacht hast, musste dazu herhalten, den Bankrott abzuwenden. Du bist nur deshalb noch hier«– ich wies mit einer kurzen Kopfbewegung zu seiner Haustür –»weil der Kapitalwert des Hauses die Höhe des Darlehens übersteigt und die Bank bereit ist, sich mit reinen Zinszahlungen zufrieden zu geben, bis du einen Job mit einem Gehalt im fünfstelligen Bereich gefunden hast. Bis jetzt hast du allerdings wenig Glück gehabt, weil du fast fünfzig bist und deine Leistungen bisher nicht gerade umwerfend waren. Du widersetzt dich dem Druck der Bank, das Haus zu verkaufen, weil du Angst hast, dass du am Ende, wenn alle Rechnungen bezahlt sind, mit lumpigen zweihunderttausend dastehst. Das würde kaum reichen, um euer altes Haus in der Graham Road zurückzukaufen.«
    Er machte ein so niedergeschmettertes Gesicht, als hätte ich soeben sein ganzes Leben in Fetzen gerissen. Ich verspürte keinen Funken Bedauern. Er war gerade dabei, am eigenen Leib zu erfahren, was er mir einmal angetan hatte.
    »Falls es dir ein Trost ist«, fuhr ich in liebenswürdigem Ton fort, »Sam ist mit der Wahrheit genauso willkürlich umgegangen. Wir haben in Hongkong keinen Reibach gemacht, es wartet kein Zehn-Zimmer-Landsitz auf uns, und das Bauernhaus, in dem wir zur Miete wohnen, ist fast abbruchreif. Wir stehen also kaum besser da als du, da wäre es doch ein ziemlicher Unfug, wenn wir jetzt versuchen, uns gegenseitig mit unseren nicht vorhandenen Reichtümern zu beeindrucken.«
    Er seufzte – mehr resigniert als zornig, hatte ich den Eindruck – und wies zur Tür. »Dann komm rein. Wir werden uns allerdings auf mein Arbeitszimmer beschränken müssen. Der Rest des Hauses ist an ausländische Studenten vermietet, sonst könnte ich die Rechnungen nicht bezahlen. Ich hatte vor, mit dir ins Pub zu gehen, damit du nichts merkst, aber so ist es natürlich viel einfacher.« Er führte mich durch den Flur zu einem Raum im hinteren Teil des Hauses. »Hast du Sam irgendwas von diesen Geschichten erzählt?«, fragte er, als er die Tür öffnete und zur Seite trat, um mir den Vortritt zu lassen.
    »Nein. Er glaubt immer noch alles, was du ihm erzählst.« Ich sah mich in dem Zimmer um, in dem man sich kaum bewegen konnte. Kisten, Kartons und Bücherstapel füllten es bis unter die Decke, und alle Wände waren praktisch von oben bis unten mit Bildern bepflastert. Wenn in diesem Chaos sich irgendetwas von Annie befand, so hielt es sich hartnäckig verborgen.
    »Mein Gott!« Ich nahm meinen Rucksack ab und ließ ihn zu Boden fallen. »Wo zum Teufel kommt das denn alles her? Du bist doch nicht etwa unter die Einbrecher gegangen?«
    »Red keinen Quatsch«, versetzte er gereizt. »Ich versuche das Zeug vor den Mietern zu schützen. Wenn sie's nicht klauen, machen sie es kaputt. Du weißt doch, wie diese Leute sind.«
    »Nein«, entgegnete ich. »Ich habe sie noch nicht kennen gelernt.«
    »Ich meinte, Ausländer im Allgemeinen.«
    »Ach so!« Ich lachte vor Schadenfreude darüber, dass ausgerechnet

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