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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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braucht nicht so viel zu denken, wenn das Fach, das man gewählt hat, schon jahrhundertelang von anderen Leuten durchgekaut worden ist.«
    »Das ist doch der reine Blödsinn, Jock. Libby wusste genau, was sie vom Leben wollte – und auch, was sie
nicht
wollte.«
    »Kann schon sein, ich hab's jedenfalls immer gemerkt, wenn sie mit dir zusammen gewesen war. Sie hat noch mal so wütend wie sonst auf ihre Rechte gepocht, wenn sie eine Prise Ranelagh-Feminismus intus hatte.«
    »Dann ist es wahrscheinlich gut, dass du sie nie mit Sharon bekannt gemacht hast«, stellte ich trocken fest. »Sonst wär deine Frau womöglich zur Nutte geworden.«
    Er sah mich nicht an – vermutlich aus Furcht davor, was ich in seinen Augen entdecken würde –, aber sein Gesicht wurde blutrot. »So was Dummes!«
    »Nicht dümmer als dein Versuch, mir die Schuld an eurer Scheidung in die Schuhe zu schieben«, gab ich ruhig zurück. »Ich hatte überhaupt nichts damit zu tun, dass Libby von deiner Spielsucht restlos die Nase voll hatte. Sie wollte eine gewisse Stabilität in ihrem Leben, nicht ein ewiges Rauf und Runter von Gewinnen und Verlusten. Es war schon schlimm genug, als du nur an der Börse spekuliert hast, aber als du ihr dann auch noch gestanden hast, dass du dreitausend Pfund bei einem Pokerspiel verloren hast...« Ich schüttelte den Kopf. »Was hast du eigentlich von ihr erwartet? Dass sie dich tröstet?«
    »Es war
mein
Geld«, sagte er verdrossen.
    »Es war auch dein Geld, wenn du gewonnen hast«, entgegnete ich. »Aber deine Gewinne hast du nie mit ihr geteilt, nur deine Verluste. Jedes Mal, wenn du verloren hast, hast du Libby das Leben zur Hölle gemacht, und deine Gewinne hast du zu Sharon getragen, um dir einen blasen zu lassen.«
    Allmählich begann ihm klar zu werden, wie viel Libby mir erzählt hatte, und er zog sich in beleidigtes Schweigen zurück, das ich gar nicht zu brechen versuchte. Vielmehr nutzte ich die Gelegenheit, um mich im Zimmer umzusehen. Ich wollte mir jeden einzelnen Gegenstand genau einprägen. Das war natürlich unmöglich, und so suchte ich denn nach Dingen, die nicht da waren: nach Scherenschnitten von Annies Großeltern, Mosaiken von Quetzalcoatl, Jadeschmuck, Artilleriekartuschen und Pfauenfedern...
    An der Wand gegenüber hing ein sehr schönes Seestück, ein voll aufgetakeltes Segelschiff im Kampf mit stürmischer See. Mit einiger Mühe konnte ich die Inschrift auf der kleinen Plakette unten auf dem Rahmen des Bildes erkennen: »Spanisches Kaperschiff im Sturm vor Kingston, Jamaika, 1823«. Ich war so intensiv beschäftigt mit der Frage, ob das angegebene Datum sich auf das Jahr des Sturms bezog oder auf das Jahr, in dem das Bild gemalt worden war, dass ich erst nach einer Weile Jocks misstrauischen Blick bemerkte.
    »Was zum Teufel soll das?«, fragte er argwöhnisch mit einer Geste zu dem Gemälde. »Bildet Libby sich etwa ein, sie könnte mich noch mehr schröpfen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin hergekommen, weil ich mit dir über den Abend sprechen wollte, an dem Annie Butts gestorben ist.«
    »Und warum erzählst du mir dann Geschichten von Libby?«, fragte er gereizt. »Warum bist du nicht von Anfang an offen?«
    Eine ziemlich einfältige Bemerkung von einem Mann, der nie etwas ohne Hintergedanken tat. »Tut mir Leid«, murmelte ich.
    »Es hätte genügt, wenn du mich anrufst.« Er schien sich in seinen Ärger hineinzusteigern. »Ich habe deine Fragen immer beantwortet. Ich bin neulich sogar zur Markuskirche rübergefahren, weil du wissen wolltest, wie der neue Pfarrer heißt.«
    »Ja, das war nett von dir«, sagte ich.
    »Was soll dann jetzt dieses Theater?«
    Ich zog ein Gesicht. »Gar nichts im Grunde. Ich habe nur kein besonderes Talent für solche Sachen. Ich hatte Angst, du würdest mich abblitzen lassen, ohne was zu sagen, wenn ich dich gleich mit Fragen darüber bombardiere, wo du an dem Abend warst und mit wem du zusammen warst.«
    Er sah mich erstaunt an. »Das weißt du doch alles schon. Es steht im Protokoll meiner Aussage. Ich war mit Sam zusammen bei euch. Wir haben zwei Bier getrunken, und dann bin ich nach Hause gegangen.«
    »Ja, aber es war Dienstag«, erinnerte ich ihn, »und Libby hat mir erzählt, dass du dienstags immer deinen Termin bei Sharon hattest.«
    »Herrgott noch mal«, schimpfte er, offensichtlich überhaupt nicht angetan von diesem Gespräch. »Ich war zuerst bei Sharon. Okay? Ich bin ungefähr um halb acht bei ihr weg, hab auf der Straße Sam

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