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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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getroffen und bin mit ihm auf ein Bier zu euch gegangen.«
    »Sam hat gesagt, ihr hättet euch am U-Bahnhof getroffen.«
    »Mensch, das ist jetzt zwanzig Jahre her. Du kannst doch nicht erwarten, dass ich jedes läppische Detail im Kopf habe.«
    »Weshalb hättest du an der U-Bahn sein sollen? Du hast dich zu dem Zeitpunkt doch von Sharon verabschiedet. Ich dachte, ihr habt euch immer in ihrem Haus getroffen.«
    »Was zum Teufel spielt das schon für eine Rolle? Annie war gesund und munter, als wir auf der Straße an ihr vorübergekommen sind.«
    Ich zuckte die Achseln. »Sam schwört Stein und Bein, dass er dich an der U-Bahn getroffen hat, weil du auf dem Heimweg von einem Pokerspiel warst.«
    Er riss die Augen auf. »Von einem Pokerspiel?«, wiederholte er. »Wo kommt denn das plötzlich her?«
    »Das hat Sam gesagt.«
    »Aber nicht bei der Polizei.«
    »Nein, das ist die Erklärung, die er mir hinterher gegeben hat«, log ich. »Er sagte, er hätte dich auf ein Bier mit zu uns genommen, weil du völlig deprimiert gewesen wärst. Du hattest einen Haufen Geld beim Pokern verloren und einen Riesenschiss, es Libby zu sagen.«
    Er wurde plötzlich ärgerlich. »Hast du das Libby erzählt?«
    »Nein. Ich hab's ja erst gehört, nachdem wir aus England weg waren.«
    Er überlegte einen Moment. »Vielleicht wollte Sam nicht sagen, dass ich bei Sharon gewesen war.«
    »Wusste er denn von ihr?«
    Er nickte kaum wahrnehmbar.
    »Aber wer kann ihm das denn erzählt haben, Jock? –
Du
?«, rief ich ungläubig, als er nichts sagte. »Das gibt's doch nicht! Ich hätte gewettet, dass du das geheim hältst. Es war ja schließlich nichts, worauf man stolz sein konnte, oder?«
    Sein Mund wurde schmal. »Hör endlich auf, ja? Das alles hat mit Annies Tod überhaupt nichts zu tun.«
    »Ganz im Gegenteil, Jock. Es hat sehr viel damit zu tun. Annie ist gestorben, weil sie einige Stunden, bevor sie sich in der Hoffnung, von mir gefunden zu werden, zu unserem Ende der Straße hinunterschleppte, halb zu Tode geprügelt worden war; trotzdem sagst du, sie sei gesund und munter gewesen, als du um Viertel vor acht aus Sharons Haus kamst.« Ich nahm die Abzüge der Obduktionsfotos aus der vorderen Tasche des Rucksacks und breitete sie auf meinem Schoß aus. »Sieh dir die Blutergüsse an. Sie sind viel zu groß, um durch Verletzungen entstanden zu sein, die ihr erst fünfzehn bis dreißig Minuten vor Eintritt des Todes beigebracht wurden.« Ich nahm eine Großaufnahme von Annies rechtem Arm heraus. »Das sind eindeutig Male, die schon etliche Stunden alt sind. Wahrscheinlich hat sie sich zu einer Kugel zusammengerollt, um ihren Kopf zu schützen. Statt einiger blauer Flecke, wie man sie erwarten würde, wenn sie tatsächlich kurz vor ihrem Tod von einem Lastwagen gegen den Laternenpfahl geschleudert worden wäre, hatte sie zahlreiche Blutergüsse davongetragen, die sich im Lauf mehrerer Stunden zu einem einzigen massiven Hämatom vereinigt haben, das von der Schulter bis zum Handgelenk reichte.«
    Er blickte entsetzt und fasziniert auf die Fotos hinunter, doch statt Abscheu über Annies zerschundenes Gesicht auszudrücken, sagte er: »Ich hatte ganz vergessen, wie jung sie war.«
    »Ja, jünger, als du jetzt bist«, stimmte ich zu, »und sehr kräftig. Sonst hätte sie nie so lange durchgehalten, bevor sie ohnmächtig wurde. Diese Hämatome hier oben an den Oberschenkeln«– ich drehte ein Foto von Annies Körper, sodass er es besser sehen konnte –»legen nahe, dass sie schwere innere Verletzungen durch Fußtritte oder Schläge in den Unterleib erlitten hatte, die dazu führten, dass das Blut in das Gewebe ihrer Beine ausströmte. Der Täter muss blind vor Wut gewesen sein. Abgespielt hat sich das Ganze beinahe mit Sicherheit in ihrem eigenen Haus. Sonst wäre es jemandem aufgefallen.«
    Er brauchte einen Moment, um das, was ich gesagt hatte, zu überdenken. »Aber trug sie nicht einen Mantel? Weshalb hätte sie in ihrem eigenen Haus einen Mantel tragen sollen?«
    Eben diese Frage hatte ich selbst mir oft gestellt; denn nach dem Vorfall wäre sie gewiss nicht in der Lage gewesen, sich einen Mantel überzuziehen. »Ich kann nur vermuten, dass der Täter sich hinter ihr ins Haus drängte, als sie vom Pub nach Hause kam, und sie niederschlug, bevor sie Zeit hatte, den Mantel auszuziehen.«
    Er begann nervös zu werden. »Aber die Polizei hätte doch Spuren finden müssen«, wandte er ein. »Blut an den Wänden zum Beispiel.«
    »Nein, nicht,

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