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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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1978 in ihren Netzen fing, während ich in Hampshire den Hund meiner Eltern hütete, die in Urlaub gefahren waren. Nichts als ein kurzer Wahn, wie Jock mir versicherte, eine verhängnisvolle Leidenschaft, die sehr schnell ausgebrannt war. Sam wollte die Frau fallen lassen, sobald ich wieder zu Hause war, aber sie machte Schwierigkeiten. Wenn sie irgendwo anders gearbeitet hätte, wäre es kein Problem gewesen, so aber hatte Sam Angst, seine Karriere könne drunter leiden, wenn sie aus Rachsucht versuchen sollte, die Sache publik zu machen. Damals rückten gerade die ersten Fälle sexueller Belästigung ins öffentliche Bewusstsein, und diese Frau wusste genau, was sie tat.
    Sam hielt sie ungefähr zwei Monate lang hin und versuchte schließlich an dem Abend, an dem ich wegen eines Elternabends länger in der Schule bleiben musste, die Affäre ein für alle Mal zu beenden. Es war derselbe Abend, an dem die »verrückte Annie« starb. Sam, der arme Kerl, sagte Jock, sei völlig überfordert gewesen. Er habe die idiotische Vorstellung gehabt, wenn er seine Geliebte zuerst groß ausführe und ihr dann eröffne, dass er vorhabe, wie ein Ehrenmann zu handeln und bei seiner Ehefrau zu bleiben, würde sie das akzeptieren. Stattdessen jedoch drehte sie völlig durch – beschimpfte ihn schreiend und kreischend vor allen Leuten im Restaurant, kippte ihm ein Glas Wein über den Anzug – kurz und gut, sagte Jock, Sam sei total fertig gewesen, als er zu Hause ankam.
    »Er hat Annie im Rinnstein liegen sehen«, berichtete Jock. »Sie lag ja direkt unter der Lampe, da konnte er sie gar nicht übersehen, aber sie stank nach Alkohol, und da hat er sie einfach liegen gelassen. Er wusste, dass du jede Minute zurückkommen würdest, und er wollte nur den Anzug loswerden und sich waschen, um so tun zu können, als wär er den ganzen Abend zu Hause gewesen.« Ein Funke Erheiterung blitzte in seinen Augen auf. »Dann kommst du eine Viertelstunde später reingerannt, um den Rettungsdienst anzurufen, und der dumme Kerl schießt prompt ein Eigentor.«
    Ich runzelte die Stirn. »Er saß vor dem Fernseher. Ich hab ihn gar nicht gefragt, was er den Abend über gemacht hat.«
    »Du hast zu ihm gesagt, Annie Butts läge draußen auf der Straße und sei dem Tod nahe, und daraufhin hat er gesagt: Nein, ist sie nicht, sie ist nur stockbetrunken.«
    »Na und?«
    »Wieso hätte er das sagen sollen, wenn er sie gar nicht gesehen hatte?«
    Ich unterdrückte ein Lachen. »Soll das heißen, dass ihr die Polizei nur deshalb belogen habt, weil er eine unüberlegte Bemerkung machte, während ich halb von Sinnen am Telefon hing und versuchte, den Notarzt zu verständigen? Er hätte mir die tollsten Geschichten erzählen können, und ich hätte nichts davon mitbekommen. Und mich bestimmt später nicht daran erinnert.«
    Jock zuckte die Achseln. »Genau das hab ich auch zu ihm gesagt, aber er wollte mir nicht glauben. Er behauptete, du hättest ein Gedächtnis wie ein Elefant, und meinte, es wäre für alle das Einfachste, wenn wir die polizeiliche Version bestätigen, dass Annie um Viertel vor acht total betrunken herumgetorkelt sei. Ich meine, wir waren ja nicht die Einzigen, die das sagten...
Alle
sagten es. Wir glaubten, es wäre die Wahrheit.«
    »Außer euch haben genau fünf Personen behauptet, sie gesehen zu haben«, erinnerte ich ihn. »Einer von ihnen war Geoffrey Spalding, der Annie gegenüber in Nummer siebenundzwanzig wohnte. Er hat bei der Verhandlung ausgesagt, dass er Annie überreden wollte, nach Hause zu gehen, das aber aufgegeben hat, als sie anfing, ihn zu beschimpfen. Seiner Schätzung nach war das zwischen acht und halb neun. Etwas später wurde Annie von dem alten Ehepaar aus Nummer acht gesehen, Mr. und Mrs. Pardoe, die gegen neun Uhr in ihr Schlafzimmer hinaufgingen, um zu Bett zu gehen, weil ihnen kalt war. Sie sahen Annie vom oberen Fenster aus, unterließen es aber, etwas zu unternehmen, weil sie offensichtlich betrunken war und Annie sie das letzte Mal, als sie versucht hatten, ihr zu helfen, angespuckt hatte. Die beiden Letzten, die Annie sahen, waren ein Mann und eine Frau in einem Auto, die die Graham Road als Abkürzung benutzten. Sie sagten aus, dass der Fahrer hart auf die Bremse treten musste, als plötzlich eine ziemlich voluminöse Gestalt in einem dunklen Mantel vor das Auto torkelte und das Paar lauthals beschimpfte. Sie hielten die Frau für eine ‘aggressive Betrunkene’ und fuhren weiter, weil sie keinen Ärger

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