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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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hätte, dass er mit Libby zusammen war.«
    Ich lachte kurz. »Und wer ist jetzt der Heuchler?«
    Er wandte sich ab und zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche.
    »Im Übrigen«, fuhr ich fort, »bin ich überzeugt, dass Libby ihn dazu getrieben hat. Die Polizei fragte damals jeden in der Straße, ob er zum Zeitpunkt des Unfalls irgendetwas gesehen oder gehört habe, und ich vermute, sie fürchtete, es würde jemand auftauchen und sagen, er hätte Sam gegen neun aus eurem Haus kommen sehen. Sicherer war in jeder Hinsicht, wenn er das bestreiten und darauf hinweisen konnte, dass er mit dir zusammen bei uns gewesen ist.«
    Jocks von ungläubiger Verwirrung zum Hass war kurz. Ich war ihn selbst gegangen und wusste das aus Erfahrung. Doch der Gegenstand seines Hasses war nicht der Mann, der ihn verraten hatte, sondern die Frau. »Es war immer schon ihr Schönstes, sich über mich lustig zu machen. Wahrscheinlich lacht sie sich seit Jahren ins Fäustchen darüber, dass ausgerechnet ich derjenige war, der sie und Sam gedeckt hat.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Vergiss es einfach. Wenn Sam für Libby mehr gewesen wäre als ein Lückenbüßer, wärst du sofort rausgeflogen, und er und ich wären heute nicht mehr verheiratet.«
    »Ich bin sowieso rausgeflogen«, entgegnete er aufgebracht. »Ich hatte nie eine Chance.«
    »Du hattest die gleichen Chancen wie ich«, widersprach ich kühl. »Wenn einer von uns beiden gewusst hätte, was vorging, hätten unsere Ehen beide sofort in Scheidung geendet. Weil wir es nicht wussten, hielt deine ein wenig länger, und meine überlebte. Aber eure Ehe war sowieso schon zerrüttet, Jock, und das kannst du Sam nicht zum Vorwurf machen. Er war ein Symptom, nicht die Ursache.«
    Mit weitschweifigem Gerede begann er, seine Rolle in dieser längst erkalteten Beziehung zu rechtfertigen. Ob ich eine Ahnung hätte, wie man sich fühlte, wenn man ständig von dem Menschen zurückgewiesen würde, den man liebt? Ob ich im Ernst glaubte, dass er etwas mit Sharon angefangen hätte, wenn Libby auch nur einen Funken Interesse an ihm gezeigt hätte? Was glaubte ich wohl, wie es sich auf das Selbstwertgefühl eines Mannes auswirke, sich den Sex kaufen zu müssen? Natürlich hatte er Sam nichts von ihr erzählt. Er hatte schließlich nicht hinter seinem Rücken ausgelacht werden wollen...
    Ich hörte mir diesen Erguss mit mehr Erheiterung als Mitgefühl an. War er seiner eigenen Heuchelei gegenüber so blind, dass doppelte Moral für ihn überhaupt nichts Peinliches hatte? Und wieso glaubte er, er könnte mir seinen Schmerz anvertrauen, wo doch meiner weit älter war, weit ungeheuerlicher und grausamer? Wie Sam sah er sich mehr als Opfer denn als Täter, und wie bei Sam wuchs seine Entrüstung in dem Maß, wie seine eigene Schuld neben der Schuld anderer verblasste.
    Als er sein Pulver endlich verschossen hatte, stand ich auf und hängte mir meinen Rucksack um. »Ich an deiner Stelle würde mir weiter keine Gedanken mehr darüber machen«, redete ich ihm gut zu. »Es ändert sich nichts und macht dich nur wütend.«
    »Warum musste ich dann überhaupt die ganze Wahrheit erfahren?« Er beobachtete mich mit missmutigem Blick, während ich mich vergewisserte, dass ich nichts liegen gelassen hatte. »Warum hast du mich nicht in Ruhe gelassen, hm?«
    »Ich hätte es nicht fair gefunden.«
    Er lachte bitter. »Tja, unter Fairness verstehe ich wohl etwas anderes. Hast du dir das alles mal überlegt? Sam und ich kennen uns sehr lange. Vielleicht wäre ich glücklicher gewesen, wenn ich nichts erfahren hätte.«
    Das bezweifelte ich nicht. Es stimmt schon, was man nicht weiß, macht einen nicht heiß, und Sam und er hätten ewig weitermachen können wie bisher, der eine so verlogen wie der andere.
    Es stimmt auch, dass geteiltes Leid halbes Leid ist, und ich wettete im Stillen mit mir selbst, dass Jock – ganz gewiss nicht der Typ des stummen Dulders – sobald ich gegangen war, nach dem Telefon greifen würde, um einen Teil seines Kummers auf meinen Mann abzuwälzen.
    Es erschien mir nur gerecht – Gerechtigkeit verlangt schließlich nach Strafe –, aber ob die beiden je wieder miteinander sprechen würden, war fraglich. Mich kümmerte das wenig. Ich hatte sehr lange auf meine Rache gewartet.

    * * *

    Brief von M. Ranelaghs Vater aus dem Jahr 1999
    CURRAN HOUSE
    Whitehay Road
    Torquay, Devon
    Freitag
    Liebste M.,
ich muss sagen, ich finde, dass Libby Recht hat und du dir noch einmal genau überlegen solltest,

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