SCHLANGENWALD
vermitteln.“
Paula bejahte und dachte, dass sie nach dem heutigen Tag restlos von Kandin und seinen Projekten begeistert gewesen wäre, hätte sie in den letzten Tagen nicht zu viele Ungereimtheiten entdeckt.
Das Angebot Kandins, sie auf ein Getränk zu Emilio einzuladen, lehnte sie höflich ab. Sie hoffte inständig, dass er um neun Uhr nicht mehr bei Emilio sitzen würde, wenn hoffentlich Markus anrief. Paula sagte, dass sie noch ins Büro gehen wollte, um E-Mails abzurufen. Kandin verzog keine Miene und wünschte ihr einen angenehmen Abend.
2.
Paula hatte Glück. Kandin saß nicht mehr in Emilios Restaurant, als sie dort eintraf. Es war Viertel vor neun. Außer ihr waren nur noch zwei Männer anwesend, deren Gläser bereits leer waren. Von Emilios Miene konnte sie ablesen, dass er nicht sonderlich begeistert war, dass sie noch so spät bei ihm auftauchte.
„Mein Mann wird gleich anrufen, dann bin ich schon wieder weg“, stellte sie klar. Sofort hellte sich Emilios Miene auf, er grinste und faselte etwas von Liebe und Romantik, was sie aber nicht verstand.
Paula war zu aufgeregt, ob Markus sie überhaupt anrufen würde. Sie hatte vorhin im Büro erneut versucht, die E-Mails abzurufen. Doch wie am Vorabend konnte die Internetverbindung nicht aufgebaut werden. Paula hatte nichts anderes erwartet.
Bald darauf hörte sie das Telefon klingeln. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als Emilio ihr deutete, dass der Anruf für sie sei.
„Gott sei Dank, dass ich dich erreiche“, hörte sie Markus’ Stimme. „Paula, wie geht es dir? Was ist da los mit dem Handy und dem Adressbuch? Und hast du den Hurrikan gut überstanden? Ich habe mir wirklich Sorgen gemacht. Noch dazu, weil wir im Streit auseinandergegangen sind.“
In Paulas Bauch kribbelte es. Markus war ihr mehr abgegangen, als sie es sich hatte eingestehen wollen. Zu Hause hatte sie die freien Abende gemütlich mit Arbeit oder Gesprächen mit Freunden verbracht. Aber hier, wo sie allein, abgeschlossen von der Außenwelt und fern der Heimat im Urwald festsaß, war das etwas ganz anderes. In Wien hatte es viel Abwechslung gegeben: die Reisevorbereitungen, Kandin, der sie umgarnte,dann die Reise und die vielen Eindrücke in der neuen Umgebung. Doch mittlerweile packte sie das Heimweh, wenn sie abends allein im Bungalow saß.
„Wir hatten hier Gott sei Dank keinen Hurrikan und im Großen und Ganzen geht es mir gut bis auf den Umstand, dass ich keine E-Mails empfangen und senden kann und alle Telefonnummern verloren habe.“
„Deshalb hab ich keine Lesebestätigung für meine E-Mails bekommen! Einmal habe ich versucht, dich telefonisch zu erreichen, aber ein Herr Kandin hat mir gesagt, dass du nicht in der Anlage wärst. Dabei hatte ich noch extra Santo kontaktiert, der so nett war, mir die Telefonnummer vom Büro zu geben, weil er meinte, dass du am Handy wahrscheinlich keinen Empfang hast.“
Die gute Nachricht war, dass Markus also doch versucht hatte, sie zu erreichen! Die schlechte: Kandin hatte ihr nichts von seinem Anruf gesagt. Paula glaubte nicht mehr an einen Zufall.
„Paula, es ist schön deine Stimme zu hören. Es ist etwas anderes, wenn jemand jederzeit für einen erreichbar ist, als wenn er eine Tagesreise weit weg ist. Leider bleibt uns momentan keine Zeit für Sentimentalitäten, meine Informanten …“
„Markus, nicht jetzt!“, stoppte ihn Paula. Auch wenn es nur ein Bauchgefühl war: Sie wollte nicht, dass Markus ihr hier und jetzt wichtige Informationen mitteilte.
„Wie? Was meinst du? Aber es ist wichtig …“, versuchte es Markus erneut.
„Bitte! Lass uns ein anderes Mal miteinander telefonieren. Wo kann ich dich morgen früh erreichen?“
„Zu Hause natürlich. Ruf an, wann immer du möchtest. Auch wenn es bei mir noch Nacht ist. Aber was ich dir …“
„Morgen! Markus, morgen! Ich werde versuchen, dich nicht vor sieben Uhr zu wecken. Störe ich auch sicher nicht?“, unterbrach ihn Paula erneut.
„Du meinst, ob es meine neue Freundin stört? Nein, natürlich nicht. Die muss sich an derlei gewöhnen, du weißt, wir Journalisten sind vierundzwanzig Stunden im Einsatz.“
Im Hintergrund war das Gelächter seiner Kollegen zu hören.
Paula war überhaupt nicht nach Lachen zumute. Nicht einmal einen Monat war ihr Streit her und schon gab es eine andere? Warum hatte Markus dann versucht, sie hier zu erreichen? Richtig! Er hatte sich Sorgen wegen des Hurrikans gemacht und er wollte sie vor irgendetwas warnen. Hatte
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