SCHLANGENWALD
Freunden Kontakt aufzunehmen.
01/234 67 89 oder 01/234 57 89? Paula beschloss, den Finanzanalysten anzurufen, dessen Nummer die einzige war, die sie ungefähr auswendig wusste, und zwar sofort. Sie hatte keine Lust, auf den nächsten Tag zu warten, um herauszufinden, ob es nur an der Internetverbindung lag oder ob Kandin dafür gesorgt hatte, dass sie keine Nachrichten abrufen oder verschicken konnte. Mochte der gute Mann in Wien doch denken, was er wollte. Er war im Augenblick ihre einzige Hoffnung.
„Hattest du in letzter Zeit eigentlich Kontakt mit Blanco?“, fragte Paula, nachdem sie das Büro verlassen hatten und in Richtung Restaurant schlenderten.
„Das letzte Mal habe ich vor ungefähr zehn Tagen mit ihm gesprochen. Da hat er mir erzählt, dass er an einer heißen Geschichte dran sei. Er wollte mir aber noch nichts Genaues darüber sagen.“
„Ich habe heute mehrmals versucht, ihn zu erreichen, aber es war immer nur eine Frauenstimme dran, die auf Spanisch erklärte, dass es unter dieser Nummer keinen Anschluss gäbe.“
Ricarda sah sie besorgt an. „Eigenartig. Ich werde einen unserer Leute kontaktieren. Die sollen nachsehen, was los ist.Vielleicht ist nur die Telefonleitung lahmgelegt. Das kommt hier immer wieder vor.“
Paula hatte Glück. Die cabina bei Emilio war frei und das Telefon funktionierte. Sie wählte die erste Nummernkombination und nach zweimaligem Läuten meldete sich eine Männerstimme.
„Herr Bernd Lowel? Paula Ender hier. Wir haben uns vor einigen Wochen im Zug kennengelernt und Sie waren so freundlich mir ein Ticket zu schenken.“
„Frau Ender! Das freut mich, dass Sie sich so rasch bei mir melden. Heißt das, dass Sie den Auftrag übernehmen wollen?“
„Welchen Auftrag?“
„Ich dachte, Sie melden sich auf meine E-Mail, die ich Ihnen gestern geschickt habe und in der ich Ihnen vorgeschlagen habe, für einen Geschäftsmann, den ich betreue, die Unternehmenstexte zu schreiben.“
„Oh, danke. Das ist sehr nett, dass Sie an mich gedacht haben. Leider kann ich momentan keine E-Mails verschicken oder abrufen und genau deswegen rufe ich Sie an. Ich sitze hier in Costa Rica und bin von der Außenwelt völlig abgeschnitten, weil mir mein Telefonregister und mein Handy abhanden gekommen sind. Die einzige Telefonnummer, die mir eingefallen ist, war Ihre, weil sie so einfach zu merken ist. Sie sind also meine einzige Hoffnung“, sprudelte Paula hervor.
„Costa Rica?“, fragte Lowel verwundert.
„Ja, und ich bitte Sie mir zu helfen! Mein Freund arbeitet bei der APA und es wäre sehr wichtig, dass er mich hier anruft. Können Sie versuchen, ihn in der Redaktion zu erreichen?“
Paula gab ihm die Nummer von Emilio durch und bat ihn, Markus auszurichten, dass er sie am nächsten Tag um neun Uhr abends anrufen sollte. Lowel versicherte ihr, dass sie sich auf ihn verlassen könnte.
„Wo exakt befinden Sie sich? Wegen der Zeitdifferenz.“
Paula erzählte in wenigen Worten von dem Arbeitsauftrag der Firma Qualistant Ltd. und beschrieb ihm, in welcher Gegend in Costa Rica sie sich aufhielt.
„Sagten Sie Qualistant Ltd. ? Dieses Unternehmen mit Sitz in Vancouver?“, fragte Lowel. Paula stutzte. Wieso kannte er den Namen? Doch es blieb ihr keine Zeit, weiter nachzuforschen. Emilio lugte bei der Telefonzelle herein und deutete ihr, dass er nun zusperren wollte.
„Ja, dieses Unternehmen meine ich. Aber ich muss jetzt Schluss machen.“
„Machen Sie sich keine Sorgen! Ich kümmere mich um alles“, beruhigte Lowel sie.
„Danke vielmals für Ihre Hilfe und ja, ich würde gern die Unternehmenstexte für Ihren Bekannten schreiben, falls er sich noch ein wenig gedulden kann.“
Siebzehn
Dienstag
1.
Paula und Kandin brachen gegen zehn Uhr auf. Sie waren noch nicht lange unterwegs, als Kandin in einen holprigen Seitenweg einbog. Links und rechts streiften die Äste die Fensterscheiben. Die Bäume wuchsen in diesem Teil des Waldes so dicht, dass sie ein Blätterdach bildeten, durch das die Sonnenstrahlen nur selten bis zum Boden durchdringen konnten. Paulas Fantasie trabte davon: In dieser unendlichen Wildnis könnte sich Kandin ihrer problemlos entledigen. Niemand würde sie je hier finden, und er konnte immer noch behaupten, dass sie auf eigene Faust einen Ausflug gemacht hätte, von dem sie nicht zurückgekehrt sei.
„Wir fahren jetzt zu einem der Bauernhöfe, an die wir den aufbereiteten Humus aus unserer Müllentsorgungsanlage abgeben werden“, unterbrach Kandins
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