SCHLANGENWALD
über der hölzernen Tür. Paula läutete zweimal, bis endlich Schritte zu hören waren und aufgesperrt wurde. Vor ihr stand Blanco in einem ärmellosen Unterhemd, das sich über seinen runden Bauch spannte. Sein Körper war mit einem dunklen Haarpelz bedeckt. Die kurze, hellblaue Hose enthüllte die, im Vergleich zum sonstigen Körperbau, extrem dünnen Beine. Seine Füße steckten in abgewetzten Ledersandalen.
„Señorita Paula, herzlich willkommen!“, begrüßte er Paula. Offenbar war es Ricarda doch gelungen, über ihre Freunde Kontakt mit Blanco aufzunehmen und ihm Paulas Besuch anzukündigen. Sie wusste nicht, was sie angesichts der derzeitigen Umstände zu ihm sagen sollte. Floskeln wie: „Es tutmir leid, dass Sie Ihr Lebenswerk verloren haben …“ oder „Es wird schon wieder, Sie schaffen das …“, erschienen ihr wenig passend. Also drückte sie ihm nur stumm die Hand.
„Wie lange haben Sie Zeit?“
„Ich muss in etwa dreißig Minuten wieder los.“
„Das werden wir schaffen. Kommen Sie, wir setzen uns in den Garten. Da ist es kühler als in meiner Wohnung. Wollen Sie etwas trinken?“
Paula bat ihn um ein Glas Mineralwasser und setzte sich auf einen Rattansessel. Gleich darauf kam Blanco zurück und stellte eine Flasche Mineralwasser auf eine Holzkiste, die er zu einem Tisch umfunktioniert hatte. Auch für sich goss er Mineralwasser in ein Glas und stieß dann mit Paula an.
„Auf uns und auf bessere Zeiten!“, sagte er und leerte das Glas mit einem Zug.
„Worum ging es bei Ihren letzten Nachforschungen?“, brachte Paula das Thema auf den Punkt. Sie hatte keine Zeit zu vergeuden. „Ricarda erzählte mir, dass Sie an einer heißen Story gearbeitet haben.“
Blanco reichte ihr eine schmuddelige Mappe.
„Glücklicherweise habe ich kurz vorher von vielen wichtigen Sachen Kopien gemacht. Sonst könnte ich Ihnen heute nichts mehr zeigen.“
Behutsam nahm Paula die Unterlagen entgegen. Unter den gegebenen Umständen hatten sie enorm an Wert gewonnen.
„Ich bin an der Redaktion vorbeigekommen, es tut mir sehr leid, dass Ihnen das passiert ist. Waren Sie wenigstens versichert?“
Blanco lachte auf. „Nein, natürlich nicht. Aber lassen wir dieses Thema. Auf jeden Fall wird es niemandem gelingen mich unterzukriegen. Ich bedaure, dass ich mich eine Zeit lang von diesem Kandin mit seinen dämlichen Fotos unter Druck setzen ließ, aber damals hatte ich noch einiges zu verlieren.Jetzt gibt es nichts mehr, was sie mir noch nehmen könnten, und damit haben sie exakt das Gegenteil von dem erreicht, was sie wollten. Anstatt mich geschlagen zu geben, werde ich mich nun wie ein Bluthund auf jede neue Spur stürzen.“
„Haben Sie denn keine Angst?“ Paula wusste nicht, ob sie seinen Mut bewundern oder seine Unvernunft kritisieren sollte.
„Nein, die hatte ich schon viel zu lange. Und was hat sie mir gebracht? Versagensängste und ein Alkoholproblem. So eigenartig es auch klingen mag, aber seitdem meine Redaktion niedergebrannt ist, geht es mir sogar besser. Ich bin der Phönix aus der Asche sozusagen. Wie gesagt, ich habe nichts mehr zu verlieren – außer meinem Leben. Aber glauben Sie mir, so schnell gibt sich der alte Blanco nicht geschlagen.“
Paula bewunderte seine Willensstärke, aber nun war sie es, die ihn ermahnte, besser auf sich aufzupassen. „Meinen Sie nicht, dass es besser wäre, die Stadt für eine Weile zu verlassen? Ihre Gegner scheinen vor nichts zurückzuschrecken und es wird wohl nicht ewig dauern, bis sie herausbekommen, wo Sie Unterschlupf gefunden haben und dass Sie weiterrecherchieren.“
„Um Sie zu beruhigen: Ich habe schon alles Wichtige gepackt und werde morgen für eine Weile untertauchen. Natürlich nur, um weitere Recherchen anzustellen. Und sollte mir tatsächlich etwas zustoßen, dann habe ich dafür gesorgt, dass alle bisherigen Ergebnisse und Unterlagen an die Öffentlichkeit gelangen. Ich werde übrigens in den nächsten Wochen in der unmittelbaren Nähe von Tico World wohnen.“
Blanco öffnete die Mappe und reichte Paula ein Papier, auf dem eine Tabelle mit klitzekleinen Zahlen stand. Paula sah ihn fragend an.
„Das sind die Ergebnisse einer Wasseruntersuchung, die an mehreren Stellen in unmittelbarer Umgebung der Anlage gemacht wurde. Sie zeigen, dass im Wasser eine hohe Konzentration von giftigen Metallen und Blausäure gefunden wurde.“
„Und das bedeutet?“
„Genau das muss ich noch herausfinden. Ich weiß, dass mit Blausäuresalzen Gold
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