SCHLANGENWALD
herausgekommen?“
Paula hatte nicht die geringste Ahnung. Vielleicht wieder irgendwelche kriminellen Machenschaften, in die Kandin verwickelt war? Jede Information, die sie in den letzten Tagen bekommen hatte, war ein Hammer gewesen. Zuerst Ricarda, dann das Feuer, dann Blanco, jetzt Markus. Eigentlich wollte sie nur ein paar angenehme Wochen weit weg von zu Hause verbringen und nun befand sie sich mitten in einem Krimi.
„Es gibt keinen Doktor Ralf Kandin im Melderegister. Weder in Österreich noch in Deutschland noch in der Schweiz“, verkündete Markus.
Paula schwieg.
„Wir haben alles gecheckt. Frage mich bitte nicht wie, das kann ich dir nicht verraten, aber du kannst dich darauf verlassen, dass das, was ich dir sage, stimmt.“
„Du willst mir allen Ernstes erklären, dass der Mann, der dieses Projekt leitet, nicht der ist, der er vorgibt zu sein?“ Paulas Stimme klang heiser.
„Exakt. Der einzige Kandin, den wir aufgetrieben haben, ist 82 Jahre alt, lebt in Süddeutschland und heißt mit Vornamen Karl. Ein Irrtum ist ausgeschlossen.“
„Und was soll ich jetzt tun?“
„In erster Linie sollst du auf dich aufpassen. Vielleicht ist dieser Kandin ein harmloser Hochstapler, vielleicht auch nicht.“
Das schlechte Gewissen, das Paula erfolgreich verdrängt hatte, rührte sich wieder. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, die Beziehung mit Markus für einen Mann wie Kandin aufs Spiel zu setzen? So wie es derzeit aussah, war er nicht nur ein Kontrollfreak und Erpresser, sondern zudem ein Hochstapler und Betrüger. Aber wer wusste anfangs schon, wer jemand wirklich war. Wäre es anders, wären die Scheidungsraten niedriger. Es war sinnlos, sich das vorzuwerfen.
Paula erzählte Markus von ihrem Besuch bei Blanco und dem verpassten Bus. Dann berichtete sie ihm vom Feuer in der Redaktion des Journalisten und von dessen Verdacht.
„Das klingt überhaupt nicht gut. Vielleicht kann ich schon früher in San José sein, dann können wir der Sache gemeinsam auf den Grund gehen. Auf jeden Fall werde ich noch mit der Firma Qualistant Ltd. Kontakt aufnehmen. Kannst du mich morgen nochmals anrufen? Ich werde dafür sorgen, dass mein Handy funktioniert.“
„Ich werde es versuchen. Notfalls kann ich dich von einer Freundin aus der Anlage anrufen lassen. Ricarda spricht sehr gut Englisch. Ihr kannst du ausrichten, wann du ankommst. Ich werde dich auf jeden Fall abholen“, versprach Paula.
„Okay. Ich werde versuchen, den Flug auf Samstag vorzuverlegen. Bis dann. Ich hab dich lieb.“
Dann war Markus aus der Leitung, und Paula fühlte sich plötzlich unendlich allein. Als sie in das Taxi steigen wollte, hörte sie jemanden laut ihren Namen rufen. Sally Lind, die schrullige Amerikanerin, die sie beim Ausflug in den Nationalpark Tortuguero kennengelernt hatte, lief auf sie zu und Paula landete in ihren Armen. „Mädchen, schön, dass wir uns über den Weg laufen. Wir sind vor ein paar Tagen angekommen“,begrüßte sie Paula in ihrem Slang. „Wo bist du denn untergebracht?“
„Ich wohne in einer neuen Ferienanlage, an deren Public-Relations-Kampagne ich arbeite“, erzählte Paula und versuchte, nicht allzu auffällig auf Sallys Kleidung zu starren, die diesmal in Schweinchenrosa gehalten war.
„Hast du ein bisschen Zeit? Dann könntest du mir bei einem Cola mehr darüber erzählen“, schlug Sally vor.
„Heute geht es leider nicht. Ich bin bereits zu spät dran und muss zurückfahren. Wie lange bleibt ihr noch in dieser Gegend?“
Gern wäre Paula noch mit Sally auf ein Getränk gegangen. Doch sie fürchtete, dann nicht mehr rechtzeitig nach Tico World zu kommen. Auf keinen Fall wollte sie Kandin provozieren.
„Ich habe hier noch was zu erledigen, also denke ich, dass ich die nächste Woche auch hier sein werde. Wir wohnen in der Pension Pueblo Sánchez , direkt im Dorfzentrum. Hast du noch den Zettel, den ich dir gegeben habe?“
Paula schüttelte bedauernd den Kopf.
„Warte, irgendwo habe ich die Telefonnummer.“ Sally kramte einen zerknitterten Zettel aus der Jackentasche und reichte ihn Paula.
„Ruf uns in den nächsten Tagen an. Am besten gegen acht Uhr früh, da sitzen wir beim Frühstück. Ich kann dich auch gern besuchen kommen.“
„Ich wohne in Tico World , dieser neuen Freizeitanlage, die demnächst eröffnet werden soll. Vielleicht habt ihr Lust, mich dort zu besuchen?“
Paula bemerkte, wie sich Sallys Mimik schlagartig veränderte. Aber sie hatte keine Zeit, der Ursache auf
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