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SCHLANGENWALD

Titel: SCHLANGENWALD Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Mayer-Zach
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rasch eine kalte Dusche. Offenbar war das Warmwasser bereits aufgebraucht. Danach traf sie sich mit Sally im Eingangsbereich. Auch die hatte sich umgezogen und trug nun eine dicke, hellgelbe Strickjacke, die ihr bis zu den Knien reichte und Turnschuhe mit silbernen Plateausohlen. Abends kühlte es rasch ab. Deshalb war auch Paula in ihren Parka geschlüpft.
    „Erzähl schon, warum bist du hierhergezogen?“, fragte Sally neugierig.
    „Ich wurde aus der Anlage geschmissen.“ Paula zuckte mit den Achseln. Dann erzählte sie in groben Zügen von ihrem Arbeitsauftrag und der plötzlichen Unzufriedenheit des Projektverantwortlichen.
    Sally hörte interessiert zu. „Das heißt, dass du mit diesem Kandin nicht näher bekannt bist?“, fragte sie abschließend.
    Paula war irritiert. „Nein, natürlich nicht, aber woher weißt du, dass der Mann Kandin heißt?“ Paula hatte seinen Namen nie erwähnt.
    „Komm mit“, sagte Sally, anstatt zu antworten und öffnete eine hölzerne Tür. Sie befanden sich in einem gemütlichen Gastraum, an dessen Wänden gemauerte Sitzbänke und sechs große hölzerne Tische standen. Zwei von ihnen waren besetzt.
    Sally steuerte auf einen freien Ecktisch zu und nahm auf der Bank Platz. Eine junge Frau begrüßte sie herzlich. Sally sprach ausgezeichnet Spanisch und schien, anders als Paula, keine Schwierigkeiten zu haben, den lokalen Dialekt zu verstehen.
    „Maria empfiehlt die sopa de verduras – eine hausgemachte Gemüsesuppe – und danach gegrillten Fisch. Als Nachtisch hat sie merengue, frisches Schaumgebäck. Oder möchtest du etwas anderes haben?“, erkundigte sich Sally.
    Paula verneinte. Die Menüempfehlung ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen nach dem vielen Reis mit Bohnen. Obwohl ihr der Begriff merengue bisher nur als Gesellschaftstanz geläufig war.
    Maria stellte einen Krug Wein, einen mit Wasser und geschnittenes Weißbrot auf den Tisch.
    „Ich mache es kurz“, begann Sally. „Ich bin keine überdrehte Touristin, die sich an der Inszenierung von Naturschauspielen erfreut. Die Tarnung als Urlauberin bietet mir die bequeme Möglichkeit, Land und Leute kennenzulernen. Ich arbeite in einem Institut in Miami, das Untersuchungen in mittelamerikanischen Ländern im Auftrag von Umweltschutzorganisationen durchführt. Darüber hinaus untersuchen wir sogenannte Eco-touristische Betriebe und veröffentlichen die Ergebnisse in einem jährlich erscheinenden Bericht.“
    „Das heißt, du bist nicht zufällig zum Nationalpark Tortuguero gefahren?“
    „Nein, natürlich nicht. Aber das will ich dir gern ein anderes Mal erzählen. Mir scheint, dass wir den heutigen Abend nutzen sollten, um uns über Tico World zu unterhalten.“
    „Du bist doch nicht etwa deswegen hier?“, platzte Paula heraus.
    „Doch. Mehr noch, ich wurde von einem Politiker zu Hilfe gerufen“, erzählte Sally. „Ich nehme an, dass auch dir Ungereimtheiten während deines Aufenthaltes aufgefallen sind?“
    Paula versuchte indifferent auszusehen. Es war ihr noch nicht klar, inwieweit sie der schrulligen Amerikanerin diese Geschichte abkaufen sollte. Sich Sally als eine Art Umweltdetektivin vorzustellen, fiel ihr schwer. Die Rolle der naiven amerikanischen Touristin passte viel besser zu ihr. Außerdem kam es Paula sehr unwahrscheinlich vor, dass ein costa-ricanischer Politiker eine amerikanische Umweltorganisation um Hilfe bat.
    „Nein, mir ist nichts Besonderes aufgefallen“, antwortete sie.
    Bis auf das plötzliche Verschwinden einer Freundin, das Kontrollverhalten von Kandin, den Tod eines Umweltaktivisten, den Absturz einer Cessna und so fort, ergänzte sie in Gedanken.
    Sally sah sie streng an. „Täusche ich mich oder machst du mir jetzt etwas vor?“ Dann schlug sie sich auf die Stirn und lachte. „Natürlich! Du glaubst mir meine Geschichte nicht.“
    Paula sah verlegen auf die Tischplatte.
    In diesem Moment brachte Maria die Suppe, und Paula war froh, dass das Gespräch kurz unterbrochen wurde. Die sopa de verduras schmeckte köstlich.
    „Ich kann dir beweisen, dass ich dir keine Märchen auftische. Du kennst doch Blanco, den Journalisten?“
    „Juan Blanco? Den aus Santa Cruz ?“, fragte Paula unsicher.
    „Ja, den Journalisten, dem sie die Redaktion niedergebrannt haben, diese Schweine. Er ist ein Freund von mir und er hat mir auch von dir erzählt. Oder glaubst du, ich binde jedem gleich nach zehn Minuten auf die Nase, dass ich ein Spitzel bin? Ich wollte dich morgen in der Ferienanlage

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