SCHLANGENWALD
Zweifel am Erfolg dieser gefährlichen Unternehmung. Und wieder fiel ihr das Credo ihrer Mutter ein: Im Leben immer weitergehen, auch wenn es nur kleine Schritte sind.
Wenig später machten sich die drei auf den Weg nach Tico World . Etwa eine halbe Stunde würde der Spaziergang dauern, hatte Blanco angekündigt. Schon nach zehn Minuten verfluchte Paula die Stiefel seiner Tante. Sie drückten und rieben an ihren Füßen.
2.
Die Ferienanlage lag wie ausgestorben da. Nichts regte sich, und die Tore waren verschlossen, genauso wie die Häuschen der Wärter. Sally und Blanco begleiteten Paula noch ein Stück die Mauer entlang, doch als es enger wurde und die Pflanzen die Wände hochkrochen, wünschten sie Paula viel Glück und kehrten um.
Sie war froh, dass Blanco sie überredet hatte, auch das Buschmesser seiner seligen Tante einzustecken. Die Pflanzen wuchsen stellenweise so dicht und waren so widerstandsfähig, dass es Paula niemals gelungen wäre, sich den Weg mit bloßen Händen zu bahnen. Von einem der Bäume aus beobachtete ein grüner Leguan ihren Kampf um jeden Zentimeter – ohne auch nur mit einer Schuppe seines Körpers zu zucken.
Als Paula endlich den Strand der Anlage erreicht hatte, war mehr als eine halbe Stunde vergangen. Erschöpft lehnte sie sich an die Mauer und blickte über den Pazifik, der ihr heute stürmischer erschien. In der Ferne brauten sich dunkle Wolken zusammen, die sich vor die Sonne schoben. Paula hatte keine Ahnung, wie lange es dauern würde, bis es zu regnen begann. Was sie aber sicher wusste, war, dass sie dann ihren Rückweg bereits hinter sich haben wollte. Sie beeilte sich, rasch zum Zoo zu kommen. Wie erwartet, war Emilios Restaurant geschlossen und niemand weit und breit zu sehen. Beim Zoo angelangt, fand sie die Drahtverschlüsse nur notdürftig zusammengedreht und die Hütte unverschlossen. Beim letzten Mal, als sie Ricarda bei der Fütterung begleitet hatte, war hingegen alles verschlossen gewesen, wunderte sich Paula. Rasch schlüpfte sie in das Holzhäuschen und zog die Tür hinter sich zu. Blanco hatte ihr erzählt, dass es irgendwo eine große Blechdose geben musste, die Ricarda als Versteck für die Unterlagen diente.Paula schaltete die Taschenlampe ein, ebenfalls ein Relikt von Blancos Tante, und suchte die Regale ab. Es standen mehrere Blechdosen herum. Die siebente, die Paula öffnete, enthielt statt der Vogelkörner einige Papiere. Paula nahm die Seiten und warf einen Blick darauf. Auf einer befand sich ein Grundriss, in den an einer Stelle ein Kreuz gemalt war.
Aus der Ferne hörte sie Donnergrollen. Hastig steckte Paula die Unterlagen in die Innentasche der Jacke und verließ die Hütte. Die Gewitterwolken waren rasch näher gekommen und hatten die Sonne vollständig verdeckt. Paula beeilte sich, die Anlage zu verlassen.
Sie hatte keine Ahnung, wie weit sie gekommen war, als die ersten Tropfen fielen. Schon bald hatte sie das Gefühl, unter einer Dusche zu stehen, so heftig regnete es auf sie herab. Dienten die großen Blätter zunächst als Schutz, so beugten sie sich bald unter der Last der ungeheuren Wassermassen und ließen diese auf Paula herabfallen. Sie überlegte, ob sie sich unter einen Baum stellen und abwarten sollte, bis sich der Regen verzogen hatte, doch ein Blick auf den dunkelgrauen Himmel verriet ihr, dass es sich hier nicht um einen der kurzen Regenwaldgüsse handelte, denen bald ein Regenbogen folgen würde. Also kämpfte Paula sich langsam voran, rutschte immer wieder auf dem glitschigen Boden aus, fiel in den Morast. In ihren Stiefeln sammelte sich Wasser. Wenigstens schützte sie die Jacke vor der schlimmsten Nässe.
Merkwürdig war jedoch, dass sie diese Situation, vor der sie sich gefürchtet hatte, nun als gar nicht so schlimm empfand. Ihre Gedanken überschlugen sich, während der Regen unaufhörlich auf sie niederprasselte. Sie wusste auf einmal, dass sie Markus liebte und mit ihm zusammen sein wollte. Sie wusste auch, dass sie nichts unversucht lassen würde, um Ricarda zu finden. Egal, wie lange sie nach ihr suchen musste. Die wirklich guten Dinge des Lebens sind meist nicht bequem zu erreichen,aber dafür machen sie glücklich, hatte Markus einmal gesagt und da hatte er vollkommen recht.
Als sie endlich Sally und Blanco sah, die in ihren Regenpelerinen unter einem Baum auf sie warteten, erfüllte sie ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Paula winkte den beiden fröhlich zu, lief ihnen entgegen und umarmte sie ungestüm.
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