SCHLANGENWALD
machte sich Sorgen um sie und er fuhr um den halben Erdball, um bei ihr zu sein. Gab es einen schöneren Liebesbeweis?
„Mach dir keine Sorgen, Markus. Ich werde auf mich aufpassen.“
3.
Paula ging in den Bungalow und packte ihre Sachen zusammen. Der Gedanke an Ricardas Verschwinden ließ ihr keine Ruhe. Was war geschehen? Natürlich bestand die Möglichkeit, dass ihre Freundin die Ferienanlage verlassen hatte, ohne sich von ihr zu verabschieden, aber ihr Bauchgefühl sagte Paula, dass dem nicht so war. Beim Packen fiel ihr das Buch der Wiener Krimiautorin in die Hände, das sie mittlerweile ausgelesen hatte. Wie schnell doch das eigene Leben zu einem Thriller werden konnte, dachte Paula und steckte das Buch in den Rucksack. Zurück in Wien würde sie die Autorin anrufen und ihr Stoff fürs nächste Buch liefern oder endlich selbst einen Kriminalroman schreiben.
Sicherheitshalber sah sie unter dem Bett und in allen Laden nach, damit sie nichts vergaß. Dann nahm sie die Taschen und den Rucksack und marschierte zum Wachposten, bei dem sie alles ablud.
„Ich mache noch einen Spaziergang zum Strand“, sagte sie zu dem Mann. Der nickte und döste weiter. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal verstanden, was sie gesagt hatte.
Paula bummelte eine Weile auf der Hauptallee dahin. Als weit und breit keine Menschenseele zu sehen war, bog sie bei der nächsten Gelegenheit nach links ab. Der schmale Weg war ihr lieber, als mitten durch die Grünlandschaft zu laufen. Sie konnte sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass es in diesem Land die giftigsten Schlangen und Frösche gab. Gesehen hatte sie noch keines dieser Tiere. Aber die Vorstellung allein genügte, um Panik in ihr auszulösen.
Wie Paula erwartet hatte, brachte sie der Weg nach einer Weile zu jener Abzweigung, die sie am ersten Tag falsch genommen und die sie zu der Müllanlage geführt hatte. Heute nahmsie absichtlich diesen Weg. Immer wieder sah sie sich um und horchte, ob ihr jemand folgte. Aber nur die Rufe der Vögel und das Rauschen der Blätter waren zu hören. Als sie schließlich die Müllanlage erreichte, war diese, wie beim ersten Mal, verschlossen. Sie ging die Mauer entlang und lauschte, aber weder Maschinenlärm noch Stimmen drangen an ihr Ohr. Immer weiter wanderte sie die hohe Mauer mit den Glasscherben entlang. Es blieb ihr nur noch eine knappe Stunde bis zur Abfahrt. Paula wusste nicht, wonach und wo sie suchen sollte. Als sie schließlich an jener Stelle anlangte, wo die Mauer der Müllanlage endete und in die Umgrenzung des Feriencenters überging, überlegte sie umzukehren. Die letzten Meter war sie bereits durch dichtes Unterholz gestapft. Doch die Neugier trieb sie voran.
Sie beschloss, solange es möglich war, an der Mauer entlangzugehen. Paula hielt inne, doch es war nichts Verdächtiges zu hören oder zu sehen. Enttäuscht setzte sie ihren Weg fort. Es dauerte nicht lange, bis der Weg eben wurde und sie nahe dem Wachposten aus dem Dickicht trat.
Niemand hatte sie gesehen. Da nur noch eine Viertelstunde bis zum Treffen fehlte, setzte sie sich auf einen Stein und wartete auf Kandin. Der fuhr pünktlich mit seinem Wagen vor und deutete den Wachen, Paulas Gepäck im Kofferraum zu verstauen. Kandin erwiderte weder ihren Gruß, noch richtete er sonst ein Wort an sie, als sie sich auf den Beifahrersitz setzte. Beide schwiegen bis nach Tamarindo . An der Bushaltestelle setzte er sie ab und lud ihr Gepäck aus. Nach einem „Gute Heimfahrt. Nichts für ungut“, fuhr er davon, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen.
Wenig später bezog Paula das kleine Zimmer, das die Wirtin für sie hergerichtet hatte. Es gab nur eine Gemeinschaftsdusche, aber das Zimmer war sauber und es ließ sich einige Tage gut darin wohnen. Sie streckte sich auf dem Bett aus und genoss die wiedergewonnene Freiheit.
4.
Paula schrak hoch, als jemand an die Zimmertür klopfte. Sie musste eingeschlafen sein, denn als sie sich aufs Bett gelegt hatte, war der Himmel noch dämmrig gewesen, mittlerweile war er tiefschwarz. Es war Sally, die von ihrer Exkursion zurückgekehrt war.
„Die Wirtin hat mir erzählt, dass du eingezogen bist. Da wollte ich gleich nachsehen, was los ist.“ Sie umarmte Paula.
„Es ist gut, dass du bei mir vorbeischaust. Habt ihr schon zu Abend gegessen?“
„Eigentlich schon, aber ich begleite dich gern. Ich sage nur meinem Mann Bescheid. Wir treffen uns in etwa einer Viertelstunde beim Eingang, okay?“
Paula nahm noch
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