Schlankheitswahn (Ein Fall für Lizzy Gardner) (German Edition)
ihrer Mutter ruhen.
Seit dem Vorfall, bei dem Hayley einen Finger ihrer rechten Hand verloren hatte, war sie nicht mehr daheim gewesen. Im Rückblick stellte sie traurig fest, dass die Jahre, die sie in diesem Haus verbracht hatte, noch viel schlimmer gewesen waren als die Zeit in den Händen eines Serienmörders. Brian, der Freund ihrer Mutter, hatte sie wiederholt vergewaltigt – als Gegenleistung dafür, dass er Hayleys Mutter mit Drogen versorgte.
Eigentlich hatte Hayley sich geschworen, ihre Mutter nie wiederzusehen – ein Vorsatz, der sich nur schwer in die Tat umsetzen ließ. Sie vermisste sie mehr, als sie es sich eingestehen wollte. Jetzt, wo sie Mom gegenüberstand, konnte sie sich nicht mehr beherrschen und ließ ihren aufgestauten Tränen freien Lauf.
»Ist schon okay«, sagte ihre Mutter und drückte sie noch fester an sich. »Meine Kleine ist wieder zu Hause. Ich hab dich ja so lieb.«
Hayley wusste nicht genau, wie lange sie wie zwei verlorene Seelen eng umschlungen im Flur verharrten – auf jeden Fall lange genug, dass ihr Nacken verkrampfte. Schließlich löste sie sich aus der Umarmung und sah ihre Mutter an. Mit den Falten in ihrem Gesicht sah sie süß aus, keinesfalls alt, und Hayley gefiel das. Trotz ihres Drogen- und Alkoholmissbrauchs war ihre Mom eine attraktive Frau und würde es immer bleiben.
Die Alkoholfahne, die ihr entgegenschlug, stimmte Hayley jedoch traurig. Sie sah ihrer Mutter in die Augen. »Mom, ich hab mir gedacht, es wäre vielleicht keine schlechte Idee, wenn du wieder zu den Anonymen Alkoholikern gehst. Ich würde es für dich arrangieren und auch mitkommen. Wenn du es konsequentdurchziehst und regelmäßig hingehst, könntest du es schaffen. Was meinst du?«
Ihre Mutter tätschelte ihre Schulter und lächelte sie an, fast mitleidig, als hätte Hayley soeben vorgeschlagen, eines Tages auf den Mond zu fliegen.
»Mom, ich meine das ernst. Du bist noch nicht mal fünfzig und hast noch ein langes Leben vor dir. Heute könntest du den Anfang zu einer besseren und glücklicheren Zukunft machen, findest du nicht auch?«
»Du warst schon immer eine Träumerin. Das hast du bestimmt von deinem Daddy.«
Hayley atmete langsam und frustriert aus. Sonst redete Mom nie von Hayleys Vater. Sie war am Ende, aber das hielt Hayley nicht von ihrer Mission ab … und die war der Grund dafür, warum sie überhaupt gekommen war. Sie wollte einen Neubeginn, nicht nur für sich, sondern für sie beide.
Plötzlich hörte Hayley draußen ein Auto. Sie lief ins Wohnzimmer und schaute zum Fenster hinaus. Es war Brian. Ihre Mutter hatte vorhin nur deshalb »Liebling« gerufen, weil sie gedacht hatte, er wäre gekommen. Trotz allem, was geschehen war, ging sie immer noch mit diesem Loser und nannte ihn sogar »Liebling«.
Hayley schloss die Eingangstür ab und ging an ihrer Mutter vorbei in deren Schlafzimmer. »Komm, Mom, packen wir deine Sachen.« Sie zog die Schubladen heraus und stellte angewidert fest, dass die meisten voller Rattenkot waren, und sonst gar nichts.
Ihre Mutter erschien im Türrahmen. »Hayley, ich kann nicht mit dir kommen.«
»Dann gehst du wohl auch nicht mit mir zu den Anonymen Alkoholikern?«
Als ihre Mutter sich die Wangen rieb, zitterten ihre Hände. »Ich kann nicht, Hayley. Ich bin nicht so stark wie du. Ich bin schwach, das weißt du.«
»Mom, du bist nur deshalb schwach, weil dich dieser widerliche Kerl im Griff hat. Du bist genau dort, wo er dich haben will.Das bist nicht du, die da redet, sondern die Drogen und der Alkohol. Drogen machen schwach. Dafür kannst du nichts.«
Die Mutter legte beide Hände aufs Herz. »Hayley, ich liebe Brian aber. Er will mich heiraten.«
»Mom«, sagte Hayley und packte ihre Mutter an den Schultern. »Ich weiß nicht, was für ein Mensch mein Vater war, aber Brian ist hundertmal schlimmer. Der Kerl ist ein Teufel. Und der Teufel macht sich die Menschen mit Drogen gefügig. Der will dich doch gar nicht heiraten, Mom. Ich hab ihn genau beobachtet, wenn er nachts heimgeht. Er pennt nicht hier, oder?«
Die Mutter blickte besorgt drein.
»Er pennt deshalb nicht hier, Mom, weil er jede Nacht ein anderes Mädchen hat. Verdammt noch mal, der Kerl ist ein Kinderficker. Aber das weißt du ja.«
Die Mutter hob blitzschnell die Hand und verpasste Hayley eine schallende Ohrfeige.
Hayley spürte den Schlag nicht. »Die Mädels, die er abschleppt, sind alle mindestens zwanzig Jahre jünger als du«, fuhr sie fort, als sei
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