Schlankheitswahn (Ein Fall für Lizzy Gardner) (German Edition)
zu verbergen, wenn sie so erpicht darauf war, ihre Tochter wiederzufinden? »Hätten Sie was dagegen, wenn ich mich mit Ihrem Mann persönlich unterhalte?«
»Sie können es ja versuchen«, sagte sie zögernd. »Er ist ein Workaholic und selten zu Hause. Wenn Carol jetzt hier wäre, würde sie sagen, dass sich nichts geändert hat.«
Lizzy fragte sich, ob das gut oder schlecht war, behielt diesen Gedanken jedoch für sich. »Was macht Ihr Mann denn beruflich?«
»Er ist Versicherungsvertreter bei Supremacy Insurance.« Ruth Fullerton nippte an ihrer Teetasse, stellte sie auf die dazugehörige Untertasse und erhob sich. »Ich hab eine Visitenkarte von ihm in der Küchenschublade. Bin gleich wieder da.«
Lizzy machte sich ein paar Notizen, bevor sie ebenfalls aufstand und sich im Zimmer umsah.
Jessica hatte auf der Ablage unter dem gläsernen Beistelltisch ein Fotoalbum entdeckt und blätterte darin herum.
Als Lizzy ans andere Ende des Wohnzimmers ging, um sich die Fotos auf dem Kaminsims anzusehen, kam es ihr vor, als sei sie mit einer Zeitmaschine zurück in die Siebzigerjahre gereist. Die Couchhatte ein Karomuster und das Bücherregal zu ihrer Linken war in einem verbrannten Orange gestrichen. Grüne Wände säumten einen aus Ziegeln gemauerten Kamin und an der Wand zu ihrer Rechten befand sich ein Spiegel, der vom Fußboden bis zur Decke reichte.
Wenn Carol Fullerton vor einundzwanzig Jahren im Alter von sechzehn verschwunden war, dann wäre sie jetzt siebenunddreißig – falls sie noch lebte. Mrs Fullertons Alter schätzte Lizzy auf Anfang sechzig.
Die eingerahmten Bilder auf dem Kaminsims sahen wie typische Klassenfotos aus – Kinder in aufrechter Haltung, Hände und Ellbogen auf dem Tisch, die Haare gekämmt, das Kinn leicht geneigt.
Die Fotos zeigten die verschiedenen Stationen in Carols Leben, vom Kindergarten bis zum Ende der Junior High. Ein süßes Mädchen. Aus der Highschoolzeit gab es jedoch nichts. Das letzte Bild war anders als die vorhergehenden – eine Schwarz-Weiß-Aufnahme im Freien, auf der Carol mit der Hüfte an einem alten Auto lehnte, ein strahlendes Lächeln im Gesicht.
»Das war Carol, zwei Tage vor ihrem Verschwinden«, sagte Ruth, als sie ins Wohnzimmer zurückkam und Lizzy die Visitenkarte gab.
Lizzy steckte die Karte in ihre Gesäßtasche und fragte sich, ob das vielleicht der Grund war, warum Carol so fröhlich in die Kamera geblickt hatte. Wusste sie bereits, dass sie in zwei Tagen weg sein würde? Leider sprachen die Statistiken eine völlig andere Sprache. »Ist das der Wagen, in dem Carol am Tag ihres Verschwindens unterwegs war?«
»Ja, das ist ein Ford Taurino, Baujahr 1969. Den hatte sie ihrer Freundin für zweihundert Dollar abgekauft. Eine Menge Geld damals. Wir selbst hatten zu der Zeit nicht viel, also hat Carol ihre Großeltern angepumpt.«
»Als wir letzte Woche telefonierten, haben Sie auch die Freundin erwähnt. Ellen Thomas, stimmt’s?«
»Ja, richtig.«
»Unter diesem Nachnamen konnte ich sie nicht finden, also hab ich beim Standesamt nachgefragt. Sie heißt jetzt Ellen Woodson und wohnt in Auburn.«
Lizzy betrachtete diese Tatsache als einen glücklichen Umstand, denn Auburn lag nur eine Autostunde entfernt. »Ich hab Ellen dann angerufen, aber sie wollte nicht mit mir reden. Sie meinte, der Vorfall sei ja nun schon viele Jahre her. Sie hat zwar ausrichten lassen, dass sie Mitgefühl mit Ihnen empfindet, wegen dem, was Sie durchgemacht haben, aber mehr wollte sie nicht sagen.«
»Das hab ich befürchtet. Mit meinem Mann wird es Ihnen wahrscheinlich ähnlich gehen. Aber lassen Sie sich bitte weder von Ellen noch von Frank entmutigen. Meine Tochter ist irgendwo da draußen, das weiß ich. Wir waren uns damals sehr nahe. Sie hat mir alles anvertraut und war wie meine beste Freundin.«
Lizzy seufzte. Solche Sprüche hatte sie in letzter Zeit öfter gehört. Die Leute glaubten, was sie glauben wollten. Schwestern waren davon überzeugt, alles über die andere zu wissen, und niemand kannte eine Tochter besser als eine Mutter … zumindest dachten sie das.
»Wenn Sie so eine enge Beziehung zu Ihrer Tochter hatten«, sagte Lizzy, »warum ist Carol dann abgehauen?«
»Ich weiß nicht. Aber ich kann so nicht weitermachen. Meine Tage sind gezählt. Ich muss endlich wissen, was mit ihr geschehen ist.«
Jessica sah sich immer noch das Fotoalbum an. Plötzlich flog die Tür auf und ein Mann kam herein.
Jessica klappte das Album zu und legte es
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