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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
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morgen würde er Tagesgespräch in der T2-Vermittlung sein. Na, was soll’s, dachte er. Dahin führte ja eh kein Weg zurück. Was hatte Shakin’ Stevens eigentlich noch für Lieder auf der Pfanne gehabt? Oh, Julie , dachte Kuli und probierte die Melodie. Spielte sich genauso wie das andere, die kochten auch alle nur mit Wasser. Ein muskulöser, auffällig blonder Mann im Anzug, der Kuli irgendwie an diesen schwedischen Schauspieler aus diesem Spielfilm mit dem Schwert erinnerte, wie hieß der noch mal, ja genau, Dolph Lundgren, näherte sich den Schließfächern. Auch er trug eine Sporttasche bei sich, offenbar voll gepackt, die gar nicht zu seinem sonstigen Aussehen passen wollte. Viel zu schäbig sah die aus. Er nahm seine Sonnenbrille ab, und Kuli klampfte wie manisch gegen den guten Geschmack an, während der Blonde die Tasche in ein Schließfach stopfte und zwei Euro einwarf. Dann ließ er die Tür zuschnappen, zog den Schlüssel ab, drehte sich um und kam auf Kuli zu. «Wenn das irgendwas werden soll», sagte er, «setz dich vor den Eingang. Und spiel nicht Shakin’ Stevens.» Dann warf er ein Zweieurostück in die Tasche und schritt mit der Lässigkeit eines Zehnkämpfers nach Erhalt der Goldmedaille in Richtung Halle. Kuli kramte sein Handy heraus und rief Pauls Nummer an. Paul ging sofort ran. «Ja?», fragte er. «Ich glaube, er kommt», sagte Kuli. «Er ist blond, groß, trägt einen Anzug und hat einen guten Musikgeschmack.»
    «Alles klar», sagte Paul und legte auf.

    P auls Anspannung hatte ähnliche Dimensionen erreicht wie damals bei seiner ersten Führerscheinprüfung, für die er selbstverständlich nicht gelernt hatte und durch die er mit Pauken, Trompeten und einem Prüfer am Rande des Nervenzusammenbruchs gefallen war. Er hatte beobachtet, wie die pausbäckige Verkäuferin sich zweimal mit harmlosen Kunden angelegt hatte, die es wohl gewagt hatten, eine Frage zu stellen, die nichts mit dem unmittelbaren Erwerb von Lesewaren zu tun hatte. Am Ende waren die Leute wutschnaubend und auf die Verkäuferin und den Berliner an sich schimpfend abgezogen, und sie hatte für alle ersichtlich den Kopf geschüttelt zum Zeichen, dass hier nur eine im Recht war, nämlich sie, und dass es halt einfach nicht in Ordnung war, den ordnungsgemäßen Ablauf des Zeitungsverkaufs zu sabotieren. Hoffentlich ging das gut, dachte Paul, hoffentlich hatte Roger Rabbit nicht gelogen und der Frau von dem Schlüssel erzählt.
    Da, das musste er sein! Der blonde Mann im Anzug, von dem Kuli erzählt hatte, betrat den Zeitschriftenladen und stellte sich unaufgeregt ans Ende der Schlange.
    «Mama, Mama, das ist er!», rief eine glockenhelle Stimme aus nächster Nähe. Paul fiel fast das Poster des Flugzeugträgers Ronald Reagan CVN 76 aus der Hand, das er wie das Centerfold im Playboy vor sich aufgeklappt hielt. Da, keine zwei Meter von ihm entfernt, vor dem Regal mit den Disney-Comics, stand ein kleiner, blonder Junge und zeigte mit dem Finger auf ihn. Paul erkannte ihn sofort: der kleine Friedrich aus der U-Bahn. Der Schrecken der Straße.
    «Nein, das ist er nicht, Schatz», sagte die dazugehörige Mutter, die wahrscheinlich Charlotte hieß und gelangweilt in einer Gala blätterte.
    «Doch, das ist er», beharrte der kleine Friedrich.
    «Der Mann hat einen Schnurrbart, Schatz. So schnell wächst ein Schnurrbart nicht.»
    «Und wenn doch?»
    Das kleine Ungeheuer ging noch einen Schritt auf Paul zu, um ihn aus der Nähe zu betrachten. Paul vertiefte sich schnellstens in seinen Flugzeugträger und warf einen unauffälligen Blick zum Verkaufstresen. Noch vier Kunden, dann war der Blonde dran. «Geh weg», zischte er dem kleinen Friedrich zu, gerade so laut, dass die Mutter ihn nicht hören konnte.
    «Mama, er hat was gesagt», rief der Junge und maß Paul mit einer sandkastengroßen Schippe Hass in den Augen. «Er hat ‹Geh weg› gesagt!»
    «Ist ja ein Ding», sagte die Frau namens Charlotte und seufzte. Wahrscheinlich war ihr gerade ein Foto von Ashton Kutcher begegnet, oder George Clooney hatte sich verlobt, oder Angelina Jolie trug ein sündhaft teures Kleid zur adoptierten Kinderschar. Noch drei Kunden bis zur Schlüsselübergabe, stellte Paul fest und wollte sich in eine andere Ecke des Ladens in Sicherheit bringen, da verspürte er einen heftigen und stechenden Schmerz an seinem linken Schienbein.
    «Au», brüllte er, gerade so laut, dass er nicht schon wieder Gefahr lief, für unangemessenes Aufsehen zu sorgen, nahm

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