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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
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«Du, ich muss jetzt hier mal weitermachen. Große Serie. Bis später.»
    Und damit hatte sie aufgelegt. Kuli goss sich Kaffee nach. Paul und mit dem Geld abhauen, so ein Blödsinn, dachte er und zwang sich zur Ruhe. Geduld musste man haben. Oder sich darin üben.
    Es wurde ein Uhr.
    Andererseits, dachte Kuli, sollte man diesen Gedanken jetzt vielleicht doch mal mit einbeziehen. Vielleicht, ja, nur vielleicht war die Versuchung einfach zu groß gewesen. Wäre ja menschlich, irgendwie. So viel Geld. In einer Sporttasche. Als Call-Center-Agent. Mit einer Tochter in Barcelona, die man unbedingt wieder sehen wollte. «Oh mein Gott», flüsterte Kuli und bemerkte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Das Puzzle setzte sich vor seinem geistigen Auge zusammen, ein ganz neues Bild ergab das, mit neuen Teilen in anderen Farben. Was, wenn das von Anfang an der Plan gewesen war?, dachte er. Was, wenn Paul überhaupt kein Interesse an Henning Bürger oder irgendeiner Form von Gerechtigkeit besessen, sondern schlicht und ergreifend nur an Bürgers Geld rangewollt hatte? Was – Kuli hielt den Atem an – was, wenn Paul es gewesen war, der Lisa Gerhard umgebracht hatte? Was, wenn er noch mal zurückgekehrt war, nach ihrem gemeinsamen Besuch? Was, wenn sie sich gestritten hatten, Lisa und er, und wenn ihm, Paul, das passiert war mit der Vase? Was, wenn er die Wohnung anschließend nach Wertgegenständen durchsucht und das Foto gefunden hatte, was, wenn er seine Chance auf eine Erpressung gesehen und ihm, Kuli, das Foto in den Briefkasten geworfen hatte? Was, wenn er, Paul Uhlenbrock, Kuli die ganze Zeit dazu benutzt hatte, um an das Geld zu kommen, um gleichzeitig mit der vermeintlichen Überführung Henning Bürgers von sich abzulenken? Was, wenn er in diesem Moment in einem Flugzeug nach Spanien saß, um seine Tochter aus ihrem jetzigen Leben zu befreien und anderswo mit ihr neu anzufangen?
    «Leck mich am Arsch», rief Kuli und sprang auf. Wenn das so war, dann war er, Ulrich Kulenkampff, nicht nur ein Riesentrottel naivster Ausprägung, nein, er war auch keinen Deut besser als ein wirklicher Erpresser, Moment, schlimmer, er war ein wirklicher Erpresser. Ein Beihelfer zum Mord, ein Beihelfer zur Flucht, das war er. Und am Arsch, das war er auch. Im Gefängnis würde er sitzen und so lange darin schmoren, bis Lady Gaga in den Weißt-du-noch-Charts auf RTL als Kuriosum der 10er-Jahre belächelt werden würde.
    Dieser selbstsüchtige, egomane, ewig schlecht gelaunte Misanthrop! Von wegen Freundschaft! Dieser Manipulator! Dieser Ausbeuter seines guten Willens und seiner anerzogenen Freundlichkeit. Aber damit war jetzt Schluss, er, Kuli, würde nun alles in seiner Macht Stehende tun, um ihn, Paul Uhlenbrock, aufzuhalten und zur Rechenschaft zu ziehen! Kommissar Bernauer musste her. Er setzte sich wieder hin, griff mit zittrigen Fingern nach seinem Handy und suchte nach der Nummer des Polizisten. Das Internetradio des Grauens spielte dazu eine Melodie der Apokalypse.
    «Was ist denn los?», fragte da eine ihm vertraute Stimme. Paul stand vor ihm und grinste. «Hast du dir Sorgen gemacht?»
    «Sorgen gemacht?», brüllte Kuli. «Du Arschloch!»
    Paul stellte die Sporttasche von Dolph Lundgren neben sich ab.
    «Hab ein paar Umwege gemacht», entschuldigte er sich, sichtlich irritiert von Kulis Ausbruch. «Wollte ganz sichergehen, dass mir niemand folgt.»
    «Ja, Mensch, aber da kannst du doch mal anrufen!»
    «Hab das Handy lieber ausgemacht. Wollte mich nicht orten lassen», sagte Paul und brüllte «Kaffee!» nach hinten, denn Henk hatte, von Kulis Geschrei aufgeschreckt, den Kopf aus der Küche gesteckt.
    «Ist in der Kanne, Blindfisch», meckerte der backende Holländer und verschwand wieder in sein Kabuff.
    «Ich dachte schon, du bist weg. Oder Schlimmeres», atmete Kuli durch.
    «Wie, weg?», fragte Paul. «Mit dem Geld? Quatsch!»
    «Na dann», sagte Kuli.
    «Ja, sicher. Wir sind doch die Unbestechlichen und nicht die Korrupten. Gibt ja auch gar keinen Film, der so heißt», sagte Paul und schien kurz verwirrt.
    «Zeig mal», bat Kuli.
    Paul guckte sich um, ob sie auch wirklich allein waren. Dann öffnete er den Reißverschluss der Tasche ein wenig, gerade weit genug, dass Geldbündel daraus hervorquellen konnten wie David Hasselhoffs Brusthaar aus einem Bademantel, große Scheine, kleine Scheine, mittlere Scheine.
    «Boah», staunte Kuli.
    «Ja», nickte Paul. «Nicht schlecht, was?»
    Kuli nickte ebenfalls und konzentrierte sich.

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