Schlecht aufgelegt (German Edition)
sein Schienbein in die linke Hand und humpelte für einen Moment wie Rumpelstilzchen auf glühenden Kohlen.
«Was soll denn das?», schimpfte er.
«Er ist es, Mama», rief der kleine Friedrich, der Paul mit der Innenseite seines sicherlich ökologisch unbedenklichen Kinderstiefels getreten hatte.
«Verpiss dich, du Kröte!», fauchte Paul und rieb sich das Bein.
«Da, da!», triumphierte der Junge und zeigte mit dem Finger auf ihn.
«Tatsächlich, das ist er», sagte seine Mutter und legte die Gala beiseite. «Wer hätte das gedacht. In Berlin trifft man monatelang niemanden und dann die Leute, die man nicht treffen will, gleich zwei Mal. Legen Sie sich schon wieder mit kleinen Kindern an?»
«Ich lege mich nicht … ich habe noch nie …», begann Paul und hätte am liebsten einen Tobsuchtsanfall der Kategorie A für außergewöhnlich heftige Tobsuchtsanfälle bekommen, durfte das aber natürlich nicht. Noch zwei Kunden vor dem Blonden. «Ihr Sohn ist das doch …», sagte er stattdessen und versuchte, autosuggestiv seinen Blutdruck zu senken. «Hören Sie, ich möchte einfach nur Zeitung lesen.»
«Wo haben Sie denn den Bart her?», fragte Friedrichs Mutter und stemmte die Hände in die Hüften. Ihr Sohn machte es ihr nach, was echt scheiße aussah.
«Den hatte ich immer schon.» Paul sah voller Unbehagen, dass es gleich so weit war, dass es gleich um alles ging.
«Und wo gucken Sie da eigentlich immer hin?», argwöhnte die Frau, die sicherlich am Prenzlauer Berg wohnte und einen Blick zur Kasse warf, zur Verkäuferin, die gerade den Preis einer Frankfurter Allgemeinen einbongte. «Oh nein, oh nein, oh nein, jetzt sagen Sie nicht, Sie sind ein Stalker?», empörte sie sich und kramte nach ihrem Handy, wahrscheinlich, um die Polizei zu rufen.
«Nein, nein, bin ich nicht, verdammte Hacke», verteidigte sich Paul. «Ich warte nur, bis die Schlange klein genug ist, dass ich mich da anstellen kann.»
«Ach so», sagte die Frau, blieb aber misstrauisch.
«Der Mann ist böse», sagte der kleine Friedrich und griff beherzt in einen Zeitungsstapel auf seiner Höhe, also ganz unten, der folgerichtig und aus dem Gleichgewicht gebracht weit aufgefächert zu Boden rutschte.
«Friedrich», mahnte seine Mutter milde. Paul sagte nichts, beeilte sich aber, den Packen aufzuheben, bevor noch die Aufsicht kam.
«Danke», sagte die Frau, die vielleicht Charlotte hieß.
«Keine Ursache.»
«Ich habe übrigens Ihre Geldbörse gefunden», sagte sie. «In der U-Bahn.»
«Schön», sagte Paul abwesend.
«Ein bisschen mehr Freude hätte ich jetzt aber schon erwartet. Ich habe mehrmals versucht, Sie zu Hause anzurufen, aber es war nie jemand da.»
«Ja, stimmt, ich war nicht viel zu Hause», murmelte Paul und sah voller Spannung, wie der letzte Kunde vor dem Blonden das Wechselgeld kassierte.
«Ich habe ja schon überlegt, ob ich Sie verklage», sagte die Frau mit einer gewissen Schärfe. Der kleine Friedrich nickte.
«Danke», antwortete Paul am Thema vorbei. Es war so weit. Der blonde Mann im Anzug lächelte die Verkäuferin an, die das erste Mal, seit Paul hier war, ein Lächeln erwiderte und einen kleinen Schließfachschlüssel in Empfang nahm. Der Mann hob die Hand zum Dank, drehte sich um und verließ den Laden mit federnder Gelassenheit. Die pausbäckige Verkäuferin blickte ihm nach, als würde sie es bedauern, dass der Schließfachschlüssel ein Schließfachschlüssel und kein Hotelzimmerschlüssel war.
Paul zückte sein Handy und wählte Kulis Nummer an. «Alles klar», sagte er. «Bleib dran. Und pass auf, dass du nicht erkannt wirst.»
«Mach ich», antwortete Kuli. «Hab die Mütze abgenommen.»
Paul legte auf. Die Frau, die ganz sicher Charlotte hieß, war jetzt richtig in Alarmbereitschaft. «Wieso dranbleiben? Wieso nicht erkannt werden? Was treiben Sie hier eigentlich?» Sie klang leicht hysterisch.
Paul seufzte. «Okay», sagte er dann verschwörerisch, «und nur weil Sie es sind.» Er machte eine geschickt gesetzte Pause. «Sie haben recht, der Bart ist nicht echt, und ich bin auch nicht an Flugzeugzeitungen interessiert. Wir haben eine Bombendrohung», eröffnete er mit heiligem Ernst. Die Frau erbleichte, er hob beschwichtigend die Arme. «Kein Anlass zur Sorge, davon gibt es hier jeden Tag mehrere. Haben Sie den blonden Mann eben gesehen? Den an der Kasse?»
Die Frau vom Prenzlauer Berg nickte.
«Dringend tatverdächtig», sagte Paul sachlich. «Mein Kollege verfolgt ihn. Kann sein, dass ich
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