Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
Vom Netzwerk:
«Haben die euch eigentlich ins Hirn geschissen in eurem Call-Center? Muss man da durch einen Idioten-Test fallen, um genommen zu werden? Haut jetzt endlich ab und geht anderen Leuten auf den Sack!»
    «Wer so schimpfen kann, der hat nichts Schlimmes», sagte Kuli würdevoll, kramte in seiner Jackentasche und legte eine Visitenkarte auf den Tisch. «Kannst dir das ja mal überlegen mit dem Fernseher. Den muss man da halt hinschicken, aber das ist ja kein Problem mehr, heutzutage. Ich wohn auch gar nicht weit weg, kannst dich ja mal melden.»
    Lisa Gerhard griff wahllos in den Haufen mit CDs um sie herum und fing an, Paul und Kuli damit zu bewerfen. «Raus», brüllte sie, «raus!»
    «Okay, wir sind weg», sagte Paul, wich Bryan Adams aus, zog die Schultern ein und musste feststellen, dass Bon Jovi nicht nur weh taten, wenn man sie hörte, sondern auch, wenn man von ihnen am Kopf getroffen wurde. Kuli konnte gerade noch Usher und Simply Red zur Seite abwehren, dann stürmten sie durch den endlosen Flur zurück zur immer noch geöffneten Wohnungstür, die Paul so rasant hinter sich zuzog, als wären alle musikalischen Übel der Welt auf diese Weise einzusperren und für immer aus den Gehörgängen der Menschheit zu verbannen.
    «Alter Schwede, hat die ’ne Energie», keuchte Kuli.
    «’ne Macke hat die», sagte Paul und stapfte missmutig die Holzstufen hinab.
    «Und einen sehr schlechten Musikgeschmack.» Kuli schob mit dem rechten Fuß eine Lady-Gaga-CD beiseite, die vor ihm zum Liegen gekommen war, und trat noch einmal kräftig drauf. «Aber Kohle hat die, das ist doch nicht normal», setzte er kurzatmig nach, während Paul mit Riesenschritten die Treppe hinunterrannte. «Was für eine krasse Bude … ich mein, die ist doch höchstens so alt wie wir.»
    «Na und», schnaubte Paul. «So jung sind wir jetzt ja auch nicht mehr. Da kann man schon mal ein bisschen Geld verdient haben.» Er verzog das Gesicht. «Außer man ist wie wir.»
    Paul beschleunigte seinen Schritt. Das Treppenhaus war so typisch für Berlin mit seinen durchgetretenen Holzstufen, den besprayten Wänden und mit Ochsenblut lackierten Wohnungstüren, dass Kuli sich nicht gewundert hätte, in jedem Zwischenstockwerk ein paar Patchwork-Ratten beim gemeinsamen Abendessen anzutreffen. Er hatte Mühe, Paul zu folgen. Er war sich sicher, das machte Paul mit Absicht, das war ein Test, eine Provokation; hier durfte er nicht verlieren, aufgeben, stehen bleiben, hier hieß es dranbleiben, Tauglichkeit demonstrieren, sich nicht abhängen lassen, auf der Höhe der Zeit verweilen. Also keuchte er wie ein Walross beim Bergwandern und versuchte gleichzeitig unangestrengt zu wirken. Schwierig war das. Er war irgendwie aus dem Training.
    «Was machen wir denn jetzt?», fragte er gepresst und seufzte erleichtert auf, als sie endlich das Erdgeschoss erreicht hatten. Paul öffnete die schwere Doppeltür, und sie wurden wieder hinausgespuckt auf die Straße, die nicht gerade verkehrsumtost war, aber dennoch dieses typisch Rastlose, Getriebene, Ruhelose der Großstadt ausstrahlte. Wichtige Menschen taten wichtige Dinge und wollten dabei gesehen werden, ohne selbst zu sehen. Es hatte aufgehört zu regnen, die Leute hatten ihre Schirme gesenkt, ihre Laune allerdings nicht gehoben. Bösen Blicks drängelten sie sich an Paul und Kuli vorbei, die etwas unmotiviert auf dem Bürgersteig verharrten.
    «Ich weiß nicht, was du machst», sagte Paul schließlich. «Aber ich geh jetzt schön nach Hause und versuche noch irgendwas Brauchbares aus diesem beschissenen Abend zu machen.»
    Kuli nickte. «Ach so, klar.»
    «Ja», sagte Paul und suchte nach seinen Zigaretten.
    Kuli nickte weiter. «Bestimmt auch mit Familie und so?»
    Pauls Laune schien Reserven nach unten zu haben. «Nee. Bin getrennt», sagte er, während er in seiner Hosentasche fündig wurde. «Will ich jetzt aber nicht drüber reden.»
    Kuli nickte immer noch. «Ah so.»
    «Ja.»
    «Dann mach’s mal gut.»
    «Ja. Du auch.» Paul steckte sich eine Zigarette in den Mund und wandte sich ab.
    «Bis morgen», erwiderte Kuli schnell.
    «Ja-ha.»
    Kuli hob die Hand. «Man sieht sich.»
    «Jo.»
    Kuli setzte wieder dieses buddhahafte Grinsen auf, das Paul zwar erst zum zweiten Mal wahrnahm, das ihn aber jetzt schon wahnsinnig machte.
    «Ich hab ’ne ziemlich große DVD-Sammlung», sagte Kuli. «Asien-Action und so weiter.»
    «Kuli …», begann Paul mahnend. Zeit für Klartext.
    «Ja?», erwiderte Kuli und freute

Weitere Kostenlose Bücher