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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
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Inhaltsübersicht]
    Rauchverbot
    U nd? Wie war der Abend gestern so?», fragte Kuli bestens gelaunt, während er mit all seiner vorgetäuschten Routine den Kopfhörer in die einzige dafür vorgesehene Buchse steckte.
    «Ruhig», antwortete Paul knapp und freute sich kein bisschen auf den heutigen Arbeitstag. Gut, das tat er eh nie, aber er hätte, wenn er es denn prinzipiell tun würde, dafür gebetet, dass Kuli binnen Stundenfrist zum Spitzentelefonisten aufsteigen und ihn von seiner anlernenden Tätigkeit erlösen möge.
    Stattdessen verhedderte Kuli sich in seinem Kopfhörer. Paul seufzte. Morgen würde er sich krankmelden, das war so sicher wie Martin Schultes Ölspur.
    «Bei mir war das gar nicht ruhig», strahlte Kuli, entwirrte sein Kabel und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. «Ich war noch mal so richtig unterwegs. Mit Freunden.»
    «Aha», sagte Paul.
    «Ich hab nämlich viele Freunde», behauptete Kuli. «Wir sind so rumgezogen. Von einer Kneipe in die andere. Toll war das.»
    «Schön», sagte Paul trocken.
    Kuli setzte sein Headset auf. «So, und jetzt erst mal anfangen! Soll ich …»
    «Herr Kulenkampff?»
    Unbemerkt war Herr Kletzke an ihren Tisch getreten und schaute mit gestrengem Blick auf sie herunter. Heute trug er einen dunkelblauen Anzug, der eigentlich ganz elegant hätte aussehen können, wäre er nicht ein, zwei Zentimeter zu kurz gewesen und hätte er sich nicht an Herrn Kletzkes Körper befunden.
    «Ja?», fragte Kuli und nahm das Headset wieder ab.
    «Machen Sie mal ’ne Pause. Sie haben Besuch», sagte der Abteilungsleiter und blickte dabei so angewidert, als wäre schon die Erwähnung ansteckend.
    «Was denn für ein Besuch?», fragte Kuli verblüfft. «Ich kenne doch hier niemanden.»
    Herr Kletzke zeigte zur Tür. «Ein Kommissar Bernauer von der Polizei. Wartet auf Sie im Aufenthaltsraum.»
    «Oh», sagte Kuli.
    «Nur um das mal klarzustellen», fügte Herr Kletzke nicht ohne einen Funken Häme hinzu, «an seinem zweiten Arbeitstag von der Polizei besucht zu werden, erhöht nicht gerade die Chancen, die Probezeit zu überstehen, Herr Kulenkampff.»
    Mit diesen Worten verließ sie Herr Kletzke und nickte in Richtung des etwa fünfzigjährigen Richard Schiefelbecks, einem selbst ernannten Künstler, Marketingexperten und Chefflüsterer, der mit äußerst gewichtiger Miene vor dem Kopierer stand und einfach nur da stand und überhaupt nichts machte, was Herr Kletzke nicht bemerkte und wenn er es bemerkte, offenbar als Teil eines groß angelegten künstlerischen Konzepts zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit der T2-Anrufer betrachtete.
    «Mit wem warst du denn da gestern weg?», fragte Paul listig.
    Kuli hob die linke Augenbraue.
    «Wieso?»
    Paul kostete das jetzt richtig aus. «Du hast gerade gesagt, du kennst hier niemanden.»
    Kuli legte seinen Kopfhörer auf den Tisch und erhob sich.
    «Ich hab Besuch», sagte er und ging.

    D er Mann, der Kuli im Aufenthaltsraum erwartete und mit jahrzehntelanger Routine einen Kaffee aus dem Automaten zog, erinnerte Kuli spontan an eine vertrocknete Selleriestange. Er schien sein Leben größtenteils gelebt zu haben und bereits auf Reserve zu laufen; die milchigen Augen ruhten locker auf voluminösen Tränensäcken, die Gesichtshaut war großporig gerötet und in tiefe Falten gelegt. Auf dem Kopf trug er einen großkrempigen Filzhut, über den offenbar mehrmals die Berliner U-Bahn gefahren war, sein Mantel hing schlaff und resigniert an dem spindeldürren Körper. Die Finger waren nikotingelb verfärbt, generell roch er ziemlich streng nach abgestandenem Tabak, den er durch nichts zu kaschieren versuchte. Kuli störte das nicht, weil ihn grundsätzlich wenig störte. Außerdem hatte er gerade ganz andere Sorgen.
    «Ah, Sie sind Herr Kulenkampff?», fragte die Selleriestange mit müder Stimme und nahm einen großen Schluck Kaffee.
    «Ja, wie der … guten Tag», sagte Kuli eingeschüchtert, streckte dem Kommissar die Hand hin und zog sie gleich wieder zurück.
    «Mein Name ist Bernauer, Mordkommission», stellte sich der Polizist vor, leicht angewidert, so als könne er es selbst nicht mehr hören.
    «Mord …», echote Kuli und setzte sich an einen der beiden Tische. Das war ja ein Ding. Was konnte jemand von der Mordkommission von ihm wollen?
    Kommissar Bernauer trank den Kaffee aus, stellte den Becher achtlos auf die Spüle, griff in seine Manteltasche und zog einen durchsichtigen Umschlag heraus.
    «Ja, Mord. Schauen Sie sich mal

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