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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
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behalten, sich nichts anmerken lassen, keine Angriffsfläche bieten.
    «Wissen Sie schon Bescheid?», fragte der Kommissar.
    «Ja», sagte Paul knapp. Die beiden taxierten sich. Paul hatte noch nie so milchige Augen gesehen. Er beschloss spontan, mit dem Rauchen aufzuhören. Bald. Demnächst.
    «Sie waren gestern bei Lisa Gerhard in der Wohnung, richtig?», fragte der Kommissar weiter und rührte in seinem Kaffee.
    «Ja.»
    «Und? Was haben Sie dort gesehen? Schildern Sie mir doch mal Ihre Eindrücke.»
    «Na ja …», überlegte Paul. «Die Tür war offen, wir sind rein. Der Herr Kulenkampff hat gerufen, hat aber etwas gedauert, bis sie … also bis wir Frau Gerhard gehört … also gefunden haben. Sie hat geweint.»
    «Wie sah es in der Wohnung aus?»
    «Gut», sagte Paul gewollt unpräzise.
    Der Kommissar seufzte. «Ein bisschen präziser?», fragte er, trank seinen Kaffee aus und stand auf. Er stellte seinen Plastikbecher neben vier weitere auf die Spüle, beugte sich darüber und ordnete sie kunstvoll zueinander an wie bei einer Familienaufstellung. Paul wusste, der Polizist wollte ihn ablenken, das waren Psycho-Tricks, waren das. Er konnte diesen Kommissar Bernauer nicht leiden, das war schon mal klar.
    «Edel. Lauter feines Zeug», sagte er zurückhaltend. «Die Möbel und so, meine ich. Da haben wir uns etwas gewundert.»
    «Wieso?» Der Kommissar zog einen der vier Becher etwas von den anderen zurück, sodass er wie ein Außenseiter wirkte.
    «Na ja, die ist … also die war ja vielleicht so alt wie wir», sagte Paul und fand Kulis Argument genauso bescheuert wie gestern.
    Bernauer legte den Außenseiter-Becher nun quer auf die Spüle. «Wussten Sie, dass Frau Gerhard einen Blumenladen besaß?»
    «Nein.»
    «Und wie finden Sie das? Ich meine, wenn Sie sich so die Wohnung angucken und hören, dass die einen Blumenladen hatte?»
    Paul zuckte mit den Schultern. «Die muss dann auf jeden Fall eine Menge Blumen verkauft haben, oder?»
    «Möglich», sagte Kommissar Bernauer. Dann richtete er sich abrupt auf und drehte sich zu Paul um. «Erinnern Sie sich genau! In welchem Zustand fanden Sie Frau Gerhard vor?»
    «Sie hat geweint.» Da musste Paul nicht lange nachdenken. «Sagte ich ja schon. Und eine blutige Nase, die hatte sie auch. War wahrscheinlich gebrochen. Also, sah so aus. Ansonsten war sie eher aggressiv. Ist ja auch klar, kommen da einfach so zwei Typen rein …»
    «Wo haben Sie sie vorgefunden?»
    «Im Wohnzimmer. Auf dem Teppichboden.»
    «Lebendig.»
    «Ja, klar. Oder haben Sie schon mal eine Leiche weinen sehen?»
    «Und wie sah es dort aus? Auch edel und fein, die Möbel und so?»
    «Nein», sagte Paul. «Der Fernseher war kaputt.»
    «Was noch?»
    «Alles. War alles kaputt. Das totale Chaos. Lag alles kreuz und quer in der Gegend rum. Als hätte da ein Mähdrescher …»
    «Ich weiß Bescheid, danke. Und Sie sind dann gemeinsam wieder gegangen, der Herr Kulenkampff und Sie?», wurde Paul unterbrochen. Der Kommissar hatte sich wieder zur Spüle gedreht und stapelte die vier Becher nun ineinander.
    «Ja, klar.» Paul beschloss, weiterhin naiv zu bleiben. «Raus aus der Wohnung, rein in den Feierabend, würde ich mal sagen.»
    «Was haben Sie dann gemacht?» Bernauer verzog das Gesicht und klopfte seinen Mantel ab, als ob er etwas suchte. «Herrgott, Sie lassen sich aber auch alles aus der Nase ziehen», sagte er.
    Paul nickte. Das stimmte. Das musste man zugeben. «Ich hab mich zu Hause eingeschlossen. Wollte telefonieren. Hab aber niemanden erreicht.»
    «Mit wem wollten Sie telefonieren?»
    «Muss ich das sagen?», fragte Paul.
    «Warum sollten Sie das verweigern?», fragte der Kommissar.
    «Weil’s privat ist?»
    «Nichts ist hier mehr privat», sagte Bernauer lässig und griff nun in seine hintere Gesäßtasche. Eine Packung Zigaretten kam zum Vorschein, die genauso zerknittert aussah wie ihr Besitzer.
    «Mit meiner Tochter wollte ich telefonieren», sagte Paul mürrisch. Wie eine Bombe schlug die Nachricht nicht gerade ein, warum sollte sie auch.
    «Ach, Sie haben eine Tochter?», fragte Bernauer beiläufig und zog eine Zigarette aus seiner Packung.
    Paul hatte nicht die geringste Lust, ins Detail zu gehen.
    «Ja. Die lebt bei ihrer Mutter. In Barcelona. Leider.» Er hoffte, dass sein abwehrender Tonfall ihn vor weiteren Fragen dieser Art verschonen würde.
    «Verstehe», sagte der Kommissar und klemmte sich die Zigarette hinter das Ohr, wo bereits eine Schwesterzigarette auf sie wartete.

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