Schlecht aufgelegt (German Edition)
«Nur, wenn ich da bin. Ich kann da umschalten.»
«Das ist eine wertvolle Eigenschaft», antwortete Bettina und hob den Kopf.
Was meinte sie denn jetzt damit? Hatte sie ihn schon durchschaut?
«Im Ernst, wieso warst du denn beim Bund?», wollte sie wissen. «Du bist doch gar nicht so der Typ, eigentlich bist du so ziemlich der Letzte, dem ich das zugetraut hätte.»
Kuli winkte ab. «Das sagen alle … Na ja, kann sein, dass ich … vielleicht war ich früher etwas antriebsschwach. Ich meine, man musste ja nichts machen, um zur Bundeswehr zu kommen. Die kamen ja von selbst. Haben mich eingeladen, so wie jeden, und weil man da noch nicht mal einfach nicht hingehen konnte, bin ich halt hingegangen. Das Übliche.»
«Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass du eine Waffe in der Hand hältst», sagte Bettina und musterte Kuli interessiert.
Kuli nahm jetzt ebenfalls seine Karte zur Hand. «Ich finde Waffen auch eher blöd.»
«Noch eine gute Eigenschaft.» Bettina schaute an Kuli vorbei, als würde sie den Kellner suchen. «Sie erleichtert einiges.»
«Nicht, wenn du beim Bund bist. Ich mein, da gab’s ja auch noch einiges anderes zu tun und diese ganzen humanitären Einsätze und Dämme befestigen und so, aber ich war nicht der Richtige für das Herumkommandieren und in der Reihe stehen und Gewehre putzen.»
«Wie lange hast du das denn gemacht?», fragte Bettina und nahm ihre Augen jetzt nicht mehr von seinen.
«Schon ziemlich lange», antwortete Kuli. «Hab erst die normale Wehrpflicht gemacht. Dann wollte ich Musiker werden. Das war mein Traum.»
«Echt, du?»
Kuli straffte sich. «Warum denn nicht?», fragte er dagegen. «Hab Bass gespielt, in einer Band. Wir waren echt ganz gut. Das war so Crossover-Zeugs, na ja, Nirvana, Pearl Jam, Alice in Chains, das, was damals so angesagt war. Aber wir hatten Fans. Zumindest im Ruhrgebiet. Na ja, da bin ich natürlich ins Träumen geraten. Musikkarriere und so. Madison Square Garden.»
«Du als Bassist, das kann ich mir eigentlich doch ganz gut vorstellen.»
«Wieso?», fragte Kuli.
«Na, weil die Bassisten immer die Ruhigen sind, die den Laden zusammenhalten, weiß man doch», sagte Bettina und guckte Kuli mit warmen, sehr warmen Augen an; auf eine Art, dass Kuli extrem aufpassen musste, nicht dank seiner knallroten Gesichtsfarbe die dritte Kerze am Tisch zu geben.
«Und, woran ist es gescheitert? Das mit der Karriere?», fragte Bettina.
«Jetzt im Nachhinein an so ziemlich allem», sagte Kuli und erinnerte sich plötzlich mit etwas Wehmut an die beste Zeit seines Lebens. «Hab ich damals nicht verstanden, aber wir waren einfach nicht gut genug, nicht cool genug, hatten nicht die richtigen Songs und kein Marketing. Wir hatten eigentlich gar nichts. Außer unserem Größenwahn. Nur wussten wir das nicht. Sechs Jahre haben wir das probiert. Ich hab in einer Kneipe gejobbt, um irgendwie die Miete zu bezahlen. Unser letztes Konzert war vor fünfzehn Leuten in irgendeinem Keller an der Duisburger Uni. Die hatten keine Plakate geklebt, obwohl die das versprochen hatten. Sonst wären vielleicht zwanzig gekommen. Für uns war’s das dann. Hab den Bass in den Schrank gestellt und angefangen, Platten zu sammeln und anderen zuzuhören, die es geschafft haben. Sind ganz schön viele geworden.»
«Aber nur vom Plattensammeln kann man doch nicht leben», bohrte Bettina unerbittlich nach.
«Nee», wand sich Kuli. «Ich hatte keine richtige Idee. Da bin ich dann halt wieder zurück zum Bund und da hängen geblieben. Irgendetwas muss man ja machen. War aber jetzt mehr so eine mittelgute Entscheidung. Obwohl da jetzt auch nicht alles schlecht war.»
«Aber du hasst schießen?»
«Ja.»
«Wie haben die das denn mit dir ausgehalten?» Bettina war wirklich unerbittlich.
«Ich meine, die müssen das doch auch geschnallt haben, dass du eigentlich im falschen Film warst.»
«Ich war einfach nett.» Kuli schwieg einen Augenblick und sah zu Boden. «Ich bin immer nett», sagte er dann leise. «Zu jedem. Immer.»
«Du magst also Menschen», resümierte Bettina und lächelte.
«Na ja, schon. Leider auch die, die mich schon zwei- oder dreimal verarscht haben», antwortete Kuli und lächelte etwas verlegen zurück. «Beim vierten Mal haben die nämlich keine Lust mehr. Denke ich mir jedenfalls immer so.»
«Und, stimmt das?»
«Weiß ich nicht. Hab nie mitgezählt.»
Kuli blätterte in seiner Karte, obwohl er noch kein einziges Gericht wahrgenommen hatte.
«Das muss sehr
Weitere Kostenlose Bücher