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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
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Der hat mir das erzählt.»
    «Das ist alles so schrecklich …», hauchte Bettina. Tränen stiegen ihr in die Augen. Kuli wäre jetzt gerne galant gewesen, wusste aber, dass er kein Taschentuch bei sich hatte.
    «Muss auch ziemlich furchtbar gewesen sein, die Art und Weise, also hat der Kommissar so angedeutet. Lisa war ja auch krass drauf, Sadomaso-Kram und Gewalt und so», ergänzte er, während Bettina sich die Tränen mit der Hand aus den Augen wischte, da die Servietten ja schon nass waren. Ihr Make-up war leicht verlaufen. Kuli überlegte, ob er sie auf die schwarzen Striemen unterhalb der Augen aufmerksam machen sollte, entschied sich aber dagegen.
    «Ich hab gewusst, dass ihr das irgendwann zum Verhängnis wird», flüsterte Bettina und zog einen kleinen Taschenspiegel heraus.
    «Ja, ja, ich auch, ich auch», bestätigte Kuli wissend. Bettina öffnete ihren Spiegel und schreckte zurück.
    «Ich glaub, ich muss mal kurz …», sagte sie und machte Anstalten aufzustehen.
    «Wegen mir musst du nicht», sagte Kuli.
    «Nee, ist doch nicht schön», sagte Bettina und war schon halb verschwunden. «Bin gleich wieder da.»

    P aul zappte sich lethargisch durch die Kanäle. Er hing total erschlafft auf dem Sofa, seine Hand schien die Fernbedienung nur noch zu umklammern, weil es zu anstrengend war, sie loszulassen. Sein Mund war halb geöffnet, seine Augen blickten starr geradeaus – es war sozusagen eine körperliche Totalaufgabe. Bilderstürme zogen an seinen nicht sonderlich aufnahmebereiten Gehirnzellen vorbei, ohne irgendwo anzudocken.
    Irgendein alter James Bond mit Pierce Brosnan, denn die waren jetzt ja auch schon wieder alt. Bald würde auch der erste mit Daniel Craig alt sein. Das ging ja alles so schnell. Zapp. Ein gut gelaunter Jüngling in Trachtenuniform breitet lachend seine Arme aus. Zapp. Eine neureiche Idiotenfamilie kauft irgendwo ein idiotisches Haus unter einer idiotischen Sonne. Zapp. Ein junger Typ singt auf einer Bühne und wird anschließend von drei älteren, sehr sonnengebräunten Typen verbal hingerichtet. Das Wort Naturkatastrophe fällt. Zapp. Auf einer Sandspur fahren martialische Monstertrucks mit überdimensionalen Reifen im Kreis, während ein wahnsinniger Berichterstatter das Fernsehpublikum anschreit. Zapp. Ein Wrestler mit Irokesenfrisur springt einem anderem Wrestler mit dem Hintern ins Gesicht. Der Hintern ist mit der Amerikaflagge bedruckt. Zapp. Schwarzweißbilder vom Krieg, unterlegt mit orchestraler Schreckensmusik. Dann ein grauhaariger Mann vor dunkler Kulisse, der die Schwarzweißbilder vom Krieg erklärt. Er guckt böse. Zapp.
    Paul hatte all diese Auswüchse mit unbewegter Miene hingenommen. Plötzlich aber hielten zuerst sein Daumen und dann auch er inne. Er beugte sich vor. Eine Diskussionsrunde. Den einen Dicken mit den aufgeworfenen Lippen kannte er nicht, gehörte laut Einblendung zur CDU. Der andere Dicke mit dem arroganten Grinsen kam ihm bekannt vor, Paul identifizierte ihn als SPD-Mann, schon wegen seines roten Schals. Eine junge Frau mit violett gefärbten Haaren saß daneben und schien sich sichtlich unwohl zu fühlen. Vielleicht war sie noch nicht lange in der Politik, vielleicht war sie einfach nur die Quotenfrau des heutigen Abends. Sie nestelte an ihrer Handtasche herum, dachte wohl, sie wäre nicht im Bild. Und in der Mitte, direkt neben der sehr attraktiven, dunkel gelockten Moderatorin, die kunstvoll die Beine übereinanderschlug und Paul unangenehm an Marina erinnerte, saß – Henning Bürger. Sehr konzentriert sah er aus, attraktiv, männlich, die Hände hatte er vor der Brust verschränkt, die ausgestreckten Füße wippten ein wenig. Die ganze Gestalt signalisierte: Dieser Raum gehört mir. Er saß neben den anderen Teilnehmern der Runde wie eine satte Katze unter lauter quiekenden Mäusen.
    «Sie haben doch überhaupt kein Konzept, Sie mit Ihrem populistischen Friedensgelaber», wetterte der dicke Mann mit den aufgeworfenen Lippen.
    Henning Bürger grinste. «Friedensgelaber ist das für Sie?», sagte er, ohne die Stimme zu erheben, und wusste, er würde gleich eine Pointe setzen. «Sagen Sie das auch Ihren Soldaten in Afghanistan?»
    «Das ist doch eine hochgradig unflätige und widerwärtige Antwort», empörte sich der CDU-Politiker. Der Herr von der SPD grinste jetzt auch, die violette Frau nestelte.
    «Keineswegs unflätig», sagte Henning Bürger und beugte sich vor. «Friedenspartei heißt ja nicht, dass wir Themen besetzen, die von

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