Schlecht aufgelegt (German Edition)
anstrengend sein, also immer nett und so», sagte Bettina sanft.
«Ja», antwortete Kuli leise. «Aber am Ende ist das gut. Ich habe nämlich vor, alt und glücklich zu werden. Der Paul zum Beispiel …»
«Wer ist denn Paul?», unterbrach Bettina und lächelte.
Kuli zuckte zusammen. «Ach, das ist … das war …», sagte er, «das war ein Fallschirmjäger. Damals beim Bund. War immer schlecht gelaunt. Blöd. Und dann, zack.»
«Zack?»
«Fallschirm hat sich nicht geöffnet. Tja, tragisch. So, was essen wir denn?»
«Indisch», sagte Bettina. Der Kellner näherte sich und verbeugte sich erneut. Kuli hob die Schultern und lächelte verlegen, Bettina bestellte einen Tee. Der Kellner ging.
«Und warum hast du’s dann hingeschmissen?», fragte Bettina.
«Ich konnte einfach nicht mehr», antwortete Kuli wahrheitsgemäß. Oh Gott, dachte er, ich ziehe mich hier völlig aus. Ich, Kurt Biedental. «War fertig, hab’s einfach nicht mehr ausgehalten. Den Stress, den Schweiß, die Schreierei. Das ganze Männlichkeitsgehabe. Ein paar Jahre lang habe ich gedacht, ich bin jetzt auch so, Haare kurz, Muskeln raus und die Welt retten. Aber ich bin das nicht. Ich helfe Regenwürmern über die Straße.»
Bettina lachte. «Und warum dann ausgerechnet nach Berlin? Ist ja auch irgendwie Kriegsgebiet hier.»
«David Bowie ist nach Berlin gegangen Ende der Siebziger.»
«Ja, und?»
«Ist doch ein gutes Vorbild. Der ist nach Berlin gegangen, um sich neu zu erfinden und seine Probleme zu lösen. Hat geklappt. Und was David Bowie kann, kann ich auch. Hab ich mir so gedacht.»
«Ich finde es gut, dass du nach Berlin gekommen bist», sagte Bettina lächelnd.
«So, jetzt aber mal zu dir», sagte Kuli und wollte gerade so eine richtig investigative Frage stellen, als Bettina auf sein Hemd zeigte.
«Warum James Brown?», fragte sie.
Kuli guckte an sich hinunter. «Hab ich doch gar nicht an», sagte er erstaunt.
«Dafür bin ich auch sehr dankbar», grinste Bettina. «Aber vor zwei Tagen, da hattest du es an. Und ein T-Shirt von James Brown trägt man ja nicht einfach so. Da steckt doch eine Haltung dahinter.»
«Du bist ganz schön clever für eine Blumenhändlerin», erwiderte Kuli und hoffte, es klang cool und witzig und nicht so anmaßend, wie es sich gerade für ihn selbst anhörte. Bettina schien aber leider Kulis Eindruck zu folgen.
«Was soll das denn heißen? Wieso soll eine Floristin denn nicht clever sein?», fauchte sie, ihre Augen schienen Blitze zu schleudern. Der Zauber des Abends war augenblicklich verflogen, die Elefanten über ihnen zogen ihre Rüssel ein, Bettinas Gesicht im Halbschatten hatte urplötzlich etwas Bedrohliches. Kuli hätte gerne seine Schuhe wieder angezogen.
«Entschuldigung», stammelte er mit gesenktem Kopf. «Das war nicht so gemeint.»
«Glaubst du, man ist automatisch blöd, wenn man einen Blumenladen aufmacht? Weil man den ganzen Tag nur Gemüse schnippelt, oder was?»
«Entschuldigung.»
«Ich habe auch Abitur, Kurt!»
«Entschuldigung.»
«Und hör auf, dich zu entschuldigen.»
«Tut mir leid.»
«Kurt!»
«Was?»
«‹Tut mir leid› ist das Gleiche wie ‹Entschuldigung›, nur in anderen Worten!»
«War nicht so gemeint.»
«Ich geb’s auf.»
Der würdevolle Kellner mit dem grau melierten Bart kam, kniete vor ihnen nieder und stellte eine kleine Tasse Tee vor Bettina ab. Mit einem kurzen Seitenblick auf die immer noch aufgeschlagenen Karten erhob er sich wieder und entschwand.
«Streiten war noch nie so meine Stärke», sagte Kuli, während er eine weitere Seite in der Speisekarte umblätterte, die er natürlich ebenso wenig gelesen hatte.
«Schon gut», sagte Bettina und strich sich eine Strähne aus der Stirn. «Was ist denn nun mit James Brown?»
«James Brown war ein Arsch, glaube ich», sagte Kuli. «Und seine Musik finde ich total überschätzt und langweilig. Obwohl ich Funk mag.»
Bettina hob ihre Teetasse. «Warum dann das T-Shirt?», fragte sie verdutzt.
«Hat nur fünf Euro gekostet.»
Bettina musste lachen, verschüttete Tee und lachte noch mehr. Kuli atmete auf. Die Kurve hatte er gerade noch einmal gekriegt.
«Ich finde das wahnsinnig toll, dass du so unglaublich ehrlich zu mir bist, Kurt», sagte Bettina und fing an, den Tee mit ihrer Serviette aufzuwischen.
«Ach, na ja.»
«Wirklich, ich fühle mich geehrt.»
«Ach, na ja.»
«Ehrlich.»
«Sag mal, wie ist das denn jetzt so …», begann Kuli, weil ihm diese Wendung unangenehm und es
Weitere Kostenlose Bücher