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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
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gestern sind. Dafür gibt es ja Ihre Partei, Herr Neuendorf. Wir fassen den Begriff des Friedens weiter. Wir sind überzeugt davon, dass sich alle sozialen und wirtschaftspolitischen Themen nur angehen und lösen lassen, wenn wir selbst mit unserer unmittelbaren Umgebung in Frieden leben. Wir wollen Frieden nicht nur am Hindukusch, sondern auch in Marzahn und am Kottbusser Tor. Wir wollen Frieden zur Grundlage des gesellschaftlichen Miteinanders machen, indem wir die Bildungsmöglichkeiten und sozialen Bedingungen so weit optimieren, dass die Gewalt aus bestimmten Stadtteilen und Bezirken ebenso verschwindet wie letztlich, am Ende der Kette, aus den Krisengebieten weltweit.»
    Der SPD-Mann hob den Finger. «Ich muss Herrn Neuendorf ausnahmsweise einmal recht geben, und Sie wissen, wie schwer mir das fällt: Sie sind ein Populist, Herr Bürger! Das ist das Schlimme an Ihnen. Das ist Bauernfängerei, was Sie hier betreiben», sagte er mit erstaunlich hoher Stimme. «Sie wissen genau wie wir, dass das nur eine Utopie ist, die niemals Wirklichkeit werden kann und wird.»
    Henning Bürger ließ sich nicht beirren. «Das ist keine Bauernfängerei, das sind Ideale, verehrter Kollege. Das Problem Ihrer Partei ist, dass sie seit geraumer Zeit weder Ideale besetzt noch besitzt, deswegen laufen Ihnen auch die Wähler weg.»
    Die Moderatorin machte mit den Armen eine Schwimmbewegung, um sich in das Gespräch einklinken zu können. «Mich würde jetzt aber auch mal interessieren, was unsere junge Abgeordnete von der Piratenpartei dazu sagt. Die Zustimmung, die Sie genießen, ist enorm, und immerhin sind das Themen, zu denen Sie ab sofort Stellung beziehen müssen. Frau Kempe.»
    Die violette Frau hörte auf zu nesteln und sah irritiert auf, als hätte man sie auf einem anderen Planeten gestört. «Ich kann gerade nicht», sagte sie.
    Und damit widmete sie sich wieder ihrer Tasche. Paul sah ein kurzes Aufblitzen, einen Lichtreflex auf einer kleinen Glasscheibe. Wahrscheinlich schrieb Frau Kempe gerade im Schutze des Futterals eine SMS. Der CDU-Mann namens Neuendorf schnaubte. «Lächerlich, Ihre angebliche Partei ist so lächerlich», rief er. Die Moderatorin hob den Arm. «Von den Piraten wissen wir einiges, Herr Bürger, über die Friedenspartei allerdings recht wenig. Mich würde dann schon mal interessieren, wo Sie sich auf der politischen Landkarte verorten?», fragte sie. «Links, rechts, in der Mitte?»
    Henning Bürger lächelte sie an. «Nehmen Sie es mir nicht übel, liebe Frau Braunmüller, aber alleine die Frage ist schon gestrig. Wir sind bei den Menschen. Wir sind nicht links und nicht rechts. Wir sind schlicht und ergreifend überall dort, wo Herr Neuendorf und seine Kollegen der anderen Parteien nicht sind.»
    Das wäre doch ein schönes Schlusswort, fand Frau Braunmüller und verabschiedete sich unter großem Applaus der etwa zwanzig Studiozuschauer, während unten der Abspann durchs Bild lief.
    Paul lehnte sich zurück. Er war völlig erschlagen, so, als wäre da gerade erst und mit einiger Verspätung etwas bei ihm angekommen. Diesem Typen wollten sie ans Bein pinkeln. Sie. Dem. Der wollte ganz Deutschland erobern. Und dann Europa. Oder so. Und sie, die beiden Call-Center-Dödels aus Berlin-Dödeldorf hatten nichts Besseres zu tun, als einer wachsenden Eiche ein paar Kieselsteinchen in den Weg zu legen. Das war doch bescheuert. Der würde einmal mit dem Finger schnippen, dann wären sie weg. Der hatte ja auch bestimmt Leute, die so was für den machten. Und was ihn am meisten irritierte: Henning Bürger hatte so unglaublich souverän gewirkt. So … nett. So sympathisch. So offen. Paul trank noch einen Schluck Bier und öffnete die nächste Flasche. Unter normalen Umständen würde er, Paul Uhlenbrock, Henning Bürger seine Stimme geben. Das war völlig klar. Vielleicht war das auf dem Foto ja doch jemand ganz anderes. Und das war alles nur ein großer Zufall. Und sie sollten jetzt damit aufhören. Foto zur Polizei und arrividerci. Ende, aus, Micky Maus.

    E s dauerte nicht lange, da war Bettina zurück und ließ sich mit der Eleganz einer Yoga-Meisterin in den Schneidersitz sinken. Make-up und Lächeln, alles saß wieder an der richtigen Stelle. Der Turban-Kellner hatte in der Zwischenzeit die Getränke gebracht, woraufhin Kuli seine Cola mit einem kleinen Schuss Fanta in einem Zug ausgetrunken, ihm das Glas zurückgegeben und ebenfalls ein Wasser mit Zitrone bestellt hatte.
    «So», sagte sie.
    «Mensch»,

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