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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
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Flirren des Indian Palace: «Zahlen, bitte!»

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    Schimmel an der Wand
    D ie Berliner Abendluft war erstaunlich mild und freundlich. Nur hin und wieder fegte der Wind in kräftigen Böen durch die Straßenschluchten und kündigte den bevorstehenden Winter an. Es waren fast so viele Menschen unterwegs wie tagsüber, und Kuli fragte sich, welche Stadt noch mal den Ruf hatte, niemals zu schlafen. Jedenfalls war Berlin aus seiner Sicht ein klarer Anwärter auf den zweiten Platz.
    Sie machten einen Spaziergang, denn sie hatten sich für Kulis Wohnung entschieden, die ja nicht sonderlich weit weg war. Kuli passte das mittlerweile überhaupt nicht mehr in den Kram. Je näher sie seinem Haus mit der eingebauten Dönerbude kamen, desto größer wurde seine Nervosität. Er hoffte nur, dass er keine schwitzigen Hände hatte, denn Bettina hielt die linke davon; genauer gesagt zog sie ihn vorwärts, und sosehr er auch versuchte, das Tempo zu verschleppen, es verschaffte ihm nur einen Aufschub im Sekundenbereich. Er war so ein Trottel. Nicht nur, dass seine Tarnung auffliegen würde, das ganze klapprige Lügengerüst, nein, sie würden auch keinen Sex haben, das war so sicher wie Remzis verletzter Stolz. Ihre gemeinsame Zeit würde vor seiner Wohnungstür enden, über der Dönerbude, im zweiten Stock – dort, wo keinesfalls Kurt Biedental in schwarzen Lettern auf weißem Grund neben der Tür prangte, sondern der nicht weniger bescheuerte Name Ulrich Kulenkampff. Das hätte er vielleicht noch erklären können, von wegen Vormieter und keine Zeit gehabt, das Namensschild auszutauschen, nicht aber die mit Magneten am Kühlschrank befestigten Postkarten, auf denen mal groß, mal klein «Lieber Uli» oder «Hallo, Ulrich» oder bestenfalls «Hey Kuli» stand, oder das selbstgebastelte Bandplakat aus Abi-Zeiten im Badezimmer, auf dem in überdimensionalen, goldenen Lettern Am Bass: Kuli Kulenkampff neben seinem grinsenden Konterfei prangte. Und bestimmt gab es noch diverse andere Hinweise in seiner Wohnung, die ihn verraten und bloßstellen würden, ihn, den größten Idioten Berlins. Na, Hauptsache, er hatte das Simpsons-Poster abgehängt.
    «Ich will da nicht hin», sagte er also und blieb stehen.
    «Wie bitte?», fragte Bettina und ließ seine Hand los.
    «Lass uns zu dir gehen», sagte Kuli und blickte ihr in die Augen, so männlich er das eben hinbekam. «Ich kann da nicht hin.»
    «Kurt?», fragte Bettina und schaute ihn mit einer Mischung aus Traurigkeit und Misstrauen an. «Hast du eine Freundin? Ist es das? Scheiße, ihr Männer seid doch alle gleich! Widerliche, schwanzgesteuerte …»
    «Nein, das ist es nicht», unterbrach Kuli Bettina rasch, bevor das schon wieder losging. «Ich hab keine Freundin, ha, ich und eine Freundin, ich hab nur … nicht aufgeräumt.»
    «Stört mich nicht», antwortete Bettina und wollte schon weitergehen.
    «Ich hab Schimmel an der Wand. Im Schlafzimmer», versuchte er es noch einmal.
    «Ist mir egal. Ist ja nur für eine Nacht.»
    «Echt?», fragte Kuli.
    «Weiß man’s?» Bettina griff erneut nach seiner Hand.
    «Es stinkt nach Döner», versuchte Kuli es weiter.
    «Finde ich lustig.»
    «Ich hab ’ne Katze, die mir andauernd ins Bett pinkelt. Aus Protest.»
    «Beziehen wir es halt neu.»
    «Manchmal kotzt sie auch.»
    «Wer tut das nicht.»
    «Ich hab noch nie am ersten Abend …»
    «Einmal ist immer das erste Mal.»
    Kuli griff zum Äußersten.
    «Eigentlich stehe ich mehr auf Männer», sagte er fast etwas verzweifelt.
    «Dafür hast du zu sehr auf meine Titten gestarrt.»
    «Okay, okay. Also gut: Ich hab ein Simpsons-Poster über dem Bett.»
    «Ich liebe die Simpsons. Komm jetzt», sagte Bettina und zog an Kuli wie an einem störrischen Esel.
    «Ich mein’s ernst, ich will da nicht hin. Lass uns zu dir gehen», bockte Kuli weiter.
    Bettina pustete sich eine Locke aus der Stirn. «Kurt, ich wohne in Köpenick. Da sind wir über eine Stunde unterwegs.»
    «Ist mir egal.»
    «Mir aber nicht.»
    Kuli sah sich verzweifelt um. Eine Eingebung, eine Eingebung. Und tatsächlich: Da war sie, die Lösung, sie erhob sich direkt vor ihm in Form einer nicht allzu strahlenden, eher leicht verblichenen, eigentlich sogar ziemlich heruntergekommenen Fassade. Aber wen interessierte die Fassade. Schallplatten durfte man ja auch nicht nach dem Cover beurteilen. «Wir nehmen ein Hotel», sagte Kuli. «Und zwar das da. Ich zahle.»
    Bettina lachte. «Du spinnst! Außerdem ist das eine

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